Wenn unsere Welt kippt von Jandy Nelson ist ein über 600 Seiten umfassendes Familienepos, das mit zarter Melancholie und funkelnder Sprache vom Erwachsenwerden, vom Verlust und von der Macht der Liebe erzählt. Die Geschichte entfaltet sich aus wechselnden Perspektiven der Figuren und webt so ein fein gesponnenes Netz aus Erinnerungen, Sehnsüchten und Geheimnissen.
Im Zentrum stehen die drei Geschwister Fall Dizzy, Miles und Wynton , Nachkommen einer alten kalifornischen Winzerfamilie. Jeder von ihnen trägt eine besondere Gabe in sich: Dizzy sieht Farben in Gerüchen, Miles besitzt einen scharfen, fast übermächtigen Verstand, und Wynton spielt die Geige mit einer Hingabe, die alles um ihn herum zum Schweigen bringt. Gemeinsam wachsen sie bei ihrer Mutter Bernadette auf, einer begnadeten Köchin und Restaurantbesitzerin, die seit dem Verschwinden ihres Mannes jeden Abend ein Mahl für den, der nicht zurückkehrt, zubereitet. In diesem Ritual liegt Trost und Schmerz zugleich.
Eines Tages tritt Cassidy in ihr Leben, ein Mädchen voller Geheimnisse und Widersprüche. Sie rettet Dizzy vor einem Sattelschlepper, verbringt mit Miles Stunden des Lesens und Redens, und begegnet schließlich Wynton, dessen Musik und stille Traurigkeit sie tief berühren. Mit ihr zieht ein fremder Wind in die Welt der Falls ein einer, der Vergangenes aufwirbelt und Verborgenes an die Oberfläche trägt.
Zu Beginn fiel es mir nicht leicht, in die Geschichte hineinzufinden. Jandy Nelson wirft ihre Leserschaft mitten hinein in das Geflecht aus Erinnerungen, Gedanken und Stimmen erst allmählich beginnen sich die Fäden zu verknüpfen, und das große Bild tritt hervor. Doch sobald man sich diesem Rhythmus hingibt, entfaltet der Roman seine ganze Tiefe. Nelson zeichnet ihre Figuren mit einer Zärtlichkeit, die berührt, und mit einem Blick, der das Unausgesprochene sichtbar macht.
Zwar wird Wenn unsere Welt kippt als Coming-of-Age-Roman und Jugendbuch beworben, doch ist es in Wahrheit eine Geschichte für Leserinnen und Leser jeden Alters ein Buch über die Unsicherheit des Lebens, das Ringen um Identität und die leise Erkenntnis, dass Erwachsenwerden nie ganz aufhört.
Auch die äußere Gestaltung verdient Erwähnung: Das Buch liegt trotz seiner Fülle angenehm in der Hand, das Cover ist ein Blickfang, und die kunstvoll mit Ranken verzierten Seiten verstärken den märchenhaften Zauber, der zwischen den Zeilen schimmert.
Fazit: Wenn unsere Welt kippt ist ein vielstimmiger, poetischer Roman, der zum Nachdenken anregt und zugleich zum Träumen verführt eine Geschichte, die bleibt, wenn man das Buch längst geschlossen hat.