REZENSION - Als Bindeglied zwischen seiner Deutschland- und seiner Weltenbauer-Romanreihe versteht Bestseller-Autor Peter Prange (70) seinen aktuellen zweibändigen Roman "Herrliche Zeiten" über den zur Jahrhundertwende um 1900 bestehenden Traum von einem modernen, offenen Europa. Nach dem erstem Band "Die Himmelsstürmer" (2024) über die historisch bedeutenden Geschehnisse der Jahre 1870 bis 1900, leicht lesbar verwoben in die spannende Lebensgeschichte dreier junger Freunde - Bauunternehmer Paul Biermann (Berlin), Eisenbahn-Erbin Vicky Paxton-Stokes (London) und Meisterkoch Auguste Escoffier (Paris) -, setzt Prange nun im zweiten Band "Dem Himmel so nah", im September im Scherz Verlag erschienen, seine Schilderung der wechselvollen Geschichte Europas bis zum Ende des Ersten Weltkriegs mit dessen spürbaren Auswirkungen fort."Dem Himmel so nah" ist die lebendig erzählte Schilderung der ab 1900 folgenden tiefgreifenden Umbrüche in Wirtschaft, Technik, Politik und Gesellschaft, in der nun schon die zweite Generation schrittweise ihren Eltern als Protagonisten nachfolgt. Doch die bei den Eltern noch vorherrschende euphorische Stimmung über den Aufbruch und Fortschritt der Belle Èpoque - die Heirat der Londoner Industriellentochter Claire mit dem Berliner Unternehmersohn Friwi ist noch Sinnbild dieses aufgeschlossenen, grenzenüberschreitenden Europas - erleidet in der zweiten Generation eine wachsende Spannung durch die Verbindung von Privatleben der Familien und zunehmend nationalistischer Politik in den drei so unterschiedlichen Ländern. Es ist die Phase des deutschen Kampfes um die Vormachtstellung in Europa, des Kolonialismus und wachsenden Antisemitismus. Es ist auch die Zeit gesellschaftlichen Umbruchs, in dem Frauen ihre Gleichberechtigung einfordern und Revolutionäre soziale Ungleichheit zu bekämpfen versuchen. Der Handlungsspielraum dieses zweiten Bandes weitet sich entsprechend weit über Europa nach China, Afrika und Russland aus. Noch wetteifern bei englischen Segelregatten nur die schnittigen Yachten des britischen Königs und des mit ihm verwandten deutschen Kaisers um den Sieg. Doch während Auguste Escoffier, "der König der Köche und Koch der Könige", im Sommer 1914 noch ganz Europa zu einem Gastmahl vereint, geben andere das Signal zum Krieg, glaubt man doch in allen Ländern an einen schnellen siegreichen Verlauf: "Weihnachten sehen wir uns wieder!"Wie in allen seinen Romanen zeichnet sich der Autor auch in seinem neuen Roman dadurch aus, dass ihm wieder einmal die Balance gelungen ist, mittels einer vielfältigen, zwei Generationen umfassenden und überaus authentisch wirkenden Familiengeschichte seinen Lesern den Verlauf europäischer Geschichte leicht verständlich, bildhaft greifbar sowie emotional und logisch nachvollziehbar zu vermitteln. Geschichte wird hier nicht wie im Schulunterricht erklärt, sondern der Leser erlebt die historische Abfolge während der Lektüre.Das Besondere an Pranges Roman "Dem Himmel so nah" ist also wie schon beim ersten Teil "Die Himmelsstürmer" wieder die gelungene Mischung von erzählerischer Spannung, emotionaler Tiefe und historischer Genauigkeit. Allerdings fehlt es gegen Ende dieses zweiten Bandes an notwendiger Ausgewogenheit. Fast scheint es, als habe Prange alle Ergebnisse seiner lobenswerten Recherche unbedingt noch im Text unterbringen wollen. Die Schilderung historischer Zusammenhänge überwiegt hier zu Lasten der Familiengeschichte, weshalb es am Schluss an Spannung und Unterhaltung fehlt.Sieht man über diesen Kritikpunkt aber hinweg, ist "Herrliche Zeiten" auch mit seinem abschließendem zweiten Band "Dem Himmel so nah" wegen seiner Vielseitigkeit, seines Unterhaltungswerts und der verständlichen Darstellung historischer Zusammenhänge ein empfehlenswerter Roman, der sich auch für eine TV-Verfilmung eignen würde. Es ist einerseits eine Hommage an den scheinbar unaufhaltsamen Unternehmer- und Fortschrittsgeist in Europa, andererseits aber auch eine deutliche Mahnung, mit wachsender Macht, moderner Technik und wissenschaftlicher Erkenntnis gut überlegt, moralisch korrekt und rücksichtsvoll umzugehen - zum allgemeinen Wohl aller Menschen.