Ob Pygmäen im südlichen Afrika, indianische Völker in Nordamerika, die Vorfahren der Japaner im fernen Osten oder die Nachkommen der Wikinger auf der britischen Insel, ihre Bogen waren allesamt aus einem Stück Holz oder Bambus und ziemlich gerade. Unterschiede gab es vor allem in der Bogenlänge, kurz für die kleinwüchsigen Pygmäen, länger für die Indianer, mannshoch waren die Langbogen der Engländer und noch länger jene der japanischen Krieger. Das Bedürfnis, mehr Energie aus ihrem Bogen durch eine zurückgekrümmte Form (re? ex) zu holen, hatten anscheinend nur die Völker Zentralasiens. Mit ihren Eroberungszügen und Wanderbewegungen brachten sie ihre Errungenschaft bis in den nahen Osten, insbesondere ins osmanische Reich. Die letzten Ansätze dieser Entwicklung ? nden sich in den Bogen der Magyaren. Zwar kannten auch die alten Griechen und Ägypter geschwungene Bogen, diese waren jedoch nie so komplex in ihrer Form und im Aufbau wieder späte, osmanische Bogen. Holz, Horn und Sehne Aus Holz allein lässt sich der osmanische Bogen nicht herstellen. Erst ein Verbund aus Holz (als Kern) sowie Horn auf der einen und Sehnen auf der anderen Seite machen den Bogen funktionsfähig und dauerhaft. Die Kunst besteht dabei nicht nur darin, die verschiedenen Materialien zuverlässig zu verbinden, sondern in den Dimensionierungen der einzelnen Komponenten. Bei optimaler Abstimmung aller Elemente hat ein solcher Bogen einen Wirkungsgrad von gegen 90%. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die damaligen Kriegs- und Jagdbogen teilweise über ioo Pfund Zuggewicht aufwiesen, kann man gut nachvollziehen, dass sich diese gut als Weitschussbogen verwenden ließen und deren Pfeile mehrere ioo Meter weit ? ogen. Osmanische Bogen wurden noch bis in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hergestellt. Das Wissen um dieses Handwerk geriet danach immer mehr in Vergessenheit. Durch langjähriges Studium von Büchern, Museumsstücken und mit der Hilfe türkischer Spezialisten ist es dem Autor Adam Karpowicz gelungen, die Kunst des Bogenbaus zu reaktivieren und alles dazu benötigte Wissen in ein Buch zu packen. Handwerklíches Geschick und Ausdauer vorausgesetzt, kann ein solcher Bogen in der Heimwerksatt innerhalb eines Jahres nachgebaut werden. László Tolva, Schweizer Waffenmagazin 4/2014