Der kleine Gänserich hat einen Herzenswunsch. Nicht einen kleinen Zwischendurch-Wunsch oder einen mal eben so dahin gewünschten Wunsch, nein, sein Wunsch sitzt tief in seinem weichen Federbauch und wird immer größer und sehnsüchtiger, bis er schließlich sein kleines Gänseherz vollkommen erfüllt: Er wünscht sich ein eigenes flaumiges kleines Küken! Als sie davon erfahren, fallen die Hofhennen, die behäbig auf ihren Eiern sitzen, um sie auszubrüten, und dabei kleine Babymützchen stricken, vor selbstgerechter Empörung buchstäblich aus ihren Nestern auf ihren dicken Allerwertesten ... Mit der Toleranz ist das bei Hühnern so eine Sache - man findet sie nur selten bei denen, die alles haben. Doch manchmal werden selbst kühne Träume wahr, und unser kleiner Gänserich findet tatsächlich ein einsames Ei. Es riecht zwar ein wenig merkwürdig und sieht noch seltsamer aus, doch ganz ohne Zweifel ist es ein Ei, das nur darauf wartet, ausgebrütet zu werden! Das lässt sich der Gänserich nicht zweimal sagen. Tag und Nacht verbringt er nun damit, das Ei zu wärmen und zu schützen, während er von seinem wunderschönen flauschigen weißen Gänsekind träumt. Aber, wie im richtigen Leben, das Kind ist eine große Überraschung: Es ist grün, statt der flaumigen Federn hat es glitzernde Schuppen und statt eines dicken Gänsepopos hat es einen langen Schwanz. Doch für den Gänserich ist es das vollkommenste Gänsekind der Welt - denn es ist sein Kind. Aber die beiden sind ja nicht alleine auf dem Bauernhof, und dort sind die Dümmsten leider oft die Lautesten. Sie lachen über das Küken, weil es anders ist. Sie ärgern es so lange, bis es wegläuft, fest entschlossen, seinen wahren Vater zu finden. Doch weder der grüne Frosch, noch der Fisch mit den grünen Glitzerschuppen, noch die Eidechse mit dem langen Schwanz wollen seine Familie sein. Als die Sonne untergeht, weiß das Küken noch immer nicht, wo es hingehört. Wer würde ihm etwas zu essen geben? Wer würde ihm in der Nacht ein weiches Nest bauen? Und wer würde es lieb haben? Da weiß es plötzlich die Antwort auf all diese Fragen und beginnt so schnell es kann zu laufen, bis es sich seinem Vater in die weit geöffneten Arme werfen kann ... Ein zärtliches, humorvolles und vor allem kluges Bilderbuch für alle, die in der Welt noch ihren Platz und ein Zuhause suchen. Für alle, die sich ein wenig "fehl am Platz" fühlen, vor allem für diejenigen, die mutig genug sind, ein Kind, das sie nicht selbst geboren haben, in ihrem Herzen anzunehmen und es dadurch zu ihrem Kind zu machen. Die Illustrationen, auf spannende Weise durch "eingestreutes" Fotomaterial ergänzt, spiegeln dabei exakt das wider, was der Text erzählt und die Figuren empfinden.
Gabriele Hoffmann (Leanders Leseladen, Heidelberg)