"Wo ich lange Antworten gesucht hatte, hatte meine Mutter einfach die Türen geschlossen."
Dieses Zitat sagt viel über das Verhältnis von Hanna zu ihrer Mutter Emmi aus. Eine Mutter, die ihrer Tochter wenig Empathie entgegenbrachte, wobei diese stets um Liebe und Anerkennung rang. Jetzt war die Mutter in einem Altenheim, und ihre Demenz ließ wenig Raum für Aufarbeitung. Marianne, eine alte Freundin ihrer Mutter, die auch in diesem Heim lebt, bringt da schon eher etwas mehr Sichtweisen zu Tage, wird für Hanna eine Bezugsperson, fast schon eine Art Ersatzmutter. Und so erfährt Hanna von einem Ort, an der ihre Mutter mit ihrer Freundin einst glückliche Tage verbrachte.
Wie bereits im Roman "Brunnenstraße" wählt die Autorin die Form kurzer Kapitel, in der das Leben von Hanna auch rückwirkend erzählt wird. Einst liebevoll von der Mutter umsorgt, bis zu ihrem 8. Lebensjahr, dann ihr Vater diese Zweisamkeit zerstörte. Ein Vater, den sie sich immer gewünscht hatte, der später aber zur Hassfigur wurde. So werden auch Teile des ersten Romans eingefügt, um Lesern ein Bild dieser Beziehung aufzuzeigen, die für mich auch wichtig waren, um die Veränderung des Verhältnisses von Mutter und Tochter erkennbar zu machen.
Ich habe in einem Interview gelesen, dass viele Leser mehr über die Mutter erfahren wollten, sich die Autorin daher zu diesem zweiten Roman entschied. Sicher ein innerer Kampf für sie, da auch eine gewisse Aufarbeitung zu ihrer eigenen Mutter eine Rolle spielte. Jedoch hat mich ihr Roman "Brunnenstraße" mehr berührt, und ich hier erst mit der erwachsenen Hanna warm werden musste. Der Roman zeigte aber auch, wie wichtig eine Aufarbeitung von Ereignissen aus der Kindheit sind. Emmi kann sich sprachlich nicht mehr bemerkbar machen, aber dennoch sind da kurze Momente, die Hanna eine Versöhnung anstreben lassen. Ein Roman über ein schwieriges Verhältnis von Mutter - Tochter, beide in ihren aufgeprägten Rollen einander verloren gingen.