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Produktbild: Die Moskauer | Andreas Petersen
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Die Moskauer

Wie das Stalintrauma die DDR prägte

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Woran die DDR gescheitert ist - das stalinistische Trauma der Gründergeneration: Die DDR war geprägt von Paranoia und Denunziation. Der Historiker und Publizist Andreas Petersen erzählt, wie es dazu kam, und erkundet das Trauma der Gründergeneration um Pieck und Ulbricht.
Sie hatten in Moskau die Jahre des Terrors erlebt, in denen Stalin mehr Spitzenkader der KPD ermorden ließ als Hitler. Angst und Verrat wurden für die Exilanten aus Deutschland zur schrecklichen Normalität.
Ab 1945 übernahmen die zurückgekehrten »Moskauer« die Führung in der sowjetisch besetzten Zone. Die ersten Jahre waren Stalin-Jahre, Zweifel und Fragen waren in der neu gegründeten SED nicht erwünscht. Die »Moskauer« hätten sich sonst der eigenen Verstrickung stellen müssen. Denn jeder von ihnen hatte jemanden denunziert, um sich selbst zu retten, und jeder wusste es vom Anderen. Ein Mantel des Schweigens legte sich über den neuen Staat.
Fesselnd schildert Andreas Petersen dieses Gründungstrauma und seine Folgen - ein lebendiges Psychogramm der führenden SED-Funktionäre, aber auch der Gesellschaft der DDR. Bis heute wird geschwiegen, Verwundungen, Ängste und Zorn sind nicht verschwunden. Ein aufrüttelndes Buch, das dazu beitragen kann, die noch immer spürbare Zerrissenheit zu überwinden.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
13. März 2019
Sprache
deutsch
Untertitel
Wie das Stalintrauma die DDR prägte. 2. Auflage.
Auflage
2. Auflage
Seitenanzahl
361
Autor/Autorin
Andreas Petersen
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
552 g
Größe (L/B/H)
228/152/33 mm
ISBN
9783103974355

Pressestimmen

Insgesamt liegt ein informatives und lesenswertes Werk vor, das insbesondere in den biographischen Abschnitten und zur Kultur des Vergessens reichhaltige Beiträge leistet. Werner Müller, Jahrbuch Extremismus & Demokratie

Das Buch von Andreas Petersen [. . .] sollte Pflichtlektüre in den Schulen und für DDR-Nostalgiker werden. Werner Schulz, Die Welt/Literarische Welt

Ein aufregendes und erschütterndes Buch, das ernst und wahrgenommen werden sollte - auch wenn es schmerzliche Wahrheiten vermittelt, die Geschichte einer großen, verratenen Idee erzählt. Stefan Berkholz, Neues Deutschland

ein aufregendes und erschütterndes Buch Stefan Berkholz, Südwestrundfunk, SWR 2

Wer sein eindrückliches Buch liest, erfährt viel über die kommunistische Herrschaft, die auf Paranoia und Denunziation basierte. Christoph Münger, Tages-Anzeiger

Andreas Petersen hat ein wichtiges, notwendiges Buch geschrieben. [. . .] Über die DDR und ihre Gründungsväter wird man nach der Lektüre dieses klugen Buches anders sprechen müssen Jörg Baberowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Stärke des Buches liegt in [. . .] Lebensgeschichten mit oft schwer fassbaren Schrecknissen Aachener Zeitung

Petersens Buch liest sich wie ein Roman. Es ist spannend, enthält dramatische Höhepunkte und fordert Empathie Ilko-Sascha Kowalczuk, Süddeutsche Zeitung

Das Ergebnis des Großen Terrors, das beleuchtet Petersen in dem akribisch recherchierten Buch [. . .], war eine von Stalin atomisierte, total ergebene und widerspruchslose Funktionärskaste. Gerd Nowakowski, Der Tagesspiegel

Besprechung vom 11.06.2019

Wenn Lügen überlebenswichtig wird
Die Gründerväter der DDR - von gegenseitigem Misstrauen und Sprachlosigkeit geprägt

"Es ist doch ganz klar: Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben." Diese Sätze stehen in den Erinnerungen von Wolfgang Leonhard. Walter Ulbricht soll sie am 1. Mai 1945 in Berlin gesagt haben, kurz nachdem ein sowjetisches Flugzeug ihn und seine Gefährten aus Moskau nach Deutschland zurückgebracht hatte. Manch einer mag noch gehofft haben, nach der zwölfjährigen Schreckenszeit könnten sich in Deutschland neue Wege in den Sozialismus eröffnen, die sich von der sowjetischen Diktatur unterschieden. Die "Moskauer" aber schufen Tatsachen. Sie setzten ihren autoritären, stalinistischen Stil gegen alle Widerstände durch. Und am Ende kam es so, wie Ulbricht es vorausgesagt hatte. Andreas Petersen spricht vom "Stalintrauma" als dem Gründungsakt der DDR. Ulbricht und seine Genossen, die in den dreißiger Jahren in die Sowjetunion emigrierten, seien durch Terror, Furcht und Schrecken sozialisiert worden, und diese Erfahrungen seien für die Einrichtung der Macht in der DDR entscheidend gewesen.

Natürlich weiß auch Petersen, dass die KPD eine autoritäre und hierarchisch strukturierte Partei war, noch bevor ihre leitenden Funktionäre nach 1933 in die Sowjetunion flüchteten. Ihre eigentliche Feuertaufe aber hätten Ulbricht, Pieck und andere erst im Heimatland der Revolution erhalten. Abgeschnitten und isoliert, waren die deutschen Kommunisten ihren Gastgebern ausgeliefert. Kaum einer sprach Russisch oder verstand, worauf es die Hetzjagd auf vermeintliche Saboteure und Spione abgesehen hatte. Nacht für Nacht wurden im Hotel "Lux", in dem die deutschen Funktionäre wohnten, Menschen aus ihren Zimmern geholt und in die Lubjanka gebracht. Sie wurden erschossen oder in Zwangsarbeitslager verschleppt, ohne dass die Angehörigen je erfuhren, was man ihnen zur Last legte.

Aber welche Wahl hatten Emigranten schon, die nirgendwo hingehen konnten? In wenigen Wochen lernten sie, worauf es im Überlebenskampf ankam. Schon bald kam ihnen die Lüge automatisch von den Lippen, Verstellung und Misstrauen wurden ihnen zur zweiten Natur. Wer die Schule der Paranoia absolviert hatte, war bereit, alles für möglich zu halten. Danach, so Petersen, habe kein Kommunist es mehr gewagt, Widerworte zu geben. Selbst die absurdesten Verschwörungstheorien habe man nun für glaubhaft halten müssen. Nach dem ersten Moskauer Schauprozess gegen prominente Bolschewiki lieferte die Kaderabteilung der KPD dem NKWD Informationen über Verräter und Spione in den eigenen Reihen. In der deutschen Parteipresse erschienen hysterische Aufrufe: Der "menschliche Abschaum" müsse ausgerottet und "alle noch vorhandenen Überreste des Gesindels unschädlich" gemacht werden. Der Gulag und die Lubjanka waren Orte irdischer Verdammnis, eine moderne Variante der Disziplinierung durch Furcht. Seht her, wohin ihr kommen werdet, wenn ihr nicht gehorcht! Alle deutschen Kommunisten, die das Jahr 1937 überlebt hatten, verinnerlichten diese eine Lehre: Liebe den Gehorsam und die Lüge, denn sie retten dir das Leben. Die Partei und ihre Generallinie wurden zum Über-Ich, zur einzigen Erklärungsressource, aus dem sich noch Sinn schöpfen ließ. Hugo Eberlein, der gefoltert worden und ohne Verhandlung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war, schrieb in einem Brief an Wilhelm Pieck, dass die "Partei Lenins" diese "schreckliche Ungerechtigkeit" nicht zulassen werde. Er konnte und wollte sich Stalin nicht als Urheber all dieser Verbrechen vorstellen. Eberlein wurde 1941 erschossen, Pieck verlor kein Wort mehr über ihn.

Die seelischen Wirkungen waren verheerend. Es gab irgendwann kein Gemeinschaftsleben mehr, Gespräche verstummten. "Die deutsche Emigration hier ist völlig atomisiert", schrieb der Kommunist Franz Schwarzmüller an Stalin. "Jeder lebt für sich in seinen vier Wänden, aus Furcht vor Verhaftungen in seinem Bekanntenkreis oder sonstwo ebenfalls hineingezogen oder zumindest diskreditiert zu werden." Die Emigrantengemeinde richtete sich in einer Atmosphäre des Misstrauens und der Sprachlosigkeit ein. Aber in ihr entstand auch der stalinistische Funktionär, der Meinungen aufgab und Freunde opferte, wenn es von ihm verlangt wurde. Man pries die Mörder der eigenen Kinder und besang den Diktator, der für die Mordexzesse verantwortlich war. Walter Ulbricht war ein Mann von geringem Verstand. Aber er war ein höriger Vasall Stalins. In Moskau lernte er, wie man Konkurrenten ausschaltete und welche Mittel im Überlebenskampf von Nutzen waren. Petersen schreibt: "Diese Lektion nahm Ulbricht vollständig in sich auf. Seine Härte, sein Dogmatismus und seine Gefühlskälte verfestigten sich in den Moskauer Jahren zu jenem Funktionärstypus, den Stalin zur Terrorherrschaft brauchte."

Als der Krieg zu Ende ging, gab es für Stalin überhaupt keinen Zweifel, dass die "Moskauer" den neuen Staat auf deutschem Boden errichten sollten. Kommunisten, die im Untergrund, im westlichen Ausland oder in den Lagern der Nationalsozialisten gewesen waren, konnte Stalin nicht gebrauchen. Ulbricht und seine Genossen hingegen waren bereit, jeden Befehl auszuführen. Was die Moskauer selbst erlitten hatten, gaben sie nun an die Deutschen weiter, die sich ihrer Herrschaft beugen mussten. Zehntausende verschwanden in den Lagern der sowjetischen Besatzungsmacht, wurden erschossen oder in die Sowjetunion deportiert. Auch in der DDR wurde die Sprache des Terrors gesprochen. Man solle "Schädlinge" ausrotten und "Schumacher-Agenten" entlarven, so lauteten die Parolen, die in der Partei neuen Typs aufgesagt werden mussten. Auch in der DDR wurden Schauprozesse nach sowjetischem Muster vorbereitet, Spanien-Kämpfer, Juden und Westemigranten als Spione und Agenten des amerikanischen Imperialismus diskreditiert. Im Stahlbad des Terrors verwandelte sich die SED in eine stalinistische Kaderpartei. Petersen spricht vom "Purgatorium", das den stalinistischen Funktionär hervorbrachte.

Für all jene, die das Jahr 1937 in der Sowjetunion erlebt hatten, sei die Wiederkehr der Gewalt aber auch ein Akt der Retraumatisierung gewesen. Niemand konnte und wollte über die erlittene Gewalt sprechen, was geschehen war, musste verschwiegen oder umgeschrieben werden. Die Partei war der einzige Lebensraum, der den Davongekommenen geblieben war. Nie verließ sie die Angst, aber im Angesicht der Wahrheit, die man über diese Erfahrungen hätte aussprechen können, wäre das System zusammengebrochen. Hätte man sich nach all den Entbehrungen eingestehen sollen, einer falschen Sache gedient zu haben? Wer hätte über die Ohnmacht und die Demütigungen, die einem zugefügt worden waren, überhaupt sprechen können? Das Weltvertrauen war zerstört und mit ihm die Möglichkeit, anderen zu vertrauen. Am Ende siegte das Gefühl der Dankbarkeit über das Bedürfnis, das Unausgesprochene zur Sprache zu bringen. Man war noch einmal davongekommen, und man hatte diese Gnade nur dem Großmut der Partei zu verdanken. Immerhin konnte man anderen antun, was einem selbst angetan worden war. Und nach allem, was die "Moskauer" erlebt und erlitten hatten, konnten sie die Gewalt als reinigendes Gewitter rechtfertigen, als Purgatorium, das Sünder in Erlöste verwandelte. Andreas Petersen hat ein wichtiges, notwendiges Buch geschrieben. Es ist dem Leben auf der Spur, das sich hinter den Erzählungen vom Leben verbirgt. Über die DDR und ihre Gründungsväter wird man nach der Lektüre dieses klugen Buches wahrscheinlich anders sprechen müssen als bisher.

JÖRG BABEROWSKI

Andreas Petersen: Die Moskauer. Wie das Stalintrauma die DDR prägte.

S. Fischer Verlag, Frankfurt/ Main 2019. 384 S.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Von Sikal am 15.07.2019

Viele bekannte Namen und schreckliche Geschichten

Auch wenn ich die DDR nur aus der Ferne beobachtet habe und bestimmt nicht zu den Insidern zähle, haben mich Geschichten rund um dieses System immer interessiert. Dass es hier eine besondere Verbindung zu Moskau gab, war klar - wie intensiv diese war, erfuhr ich zum Teil erst durch dieses Buch von Andreas Petersen. Das Buch handelt von Kommunisten (die zum Teil von den Nazis verfolgt wurden), die von Deutschland in die Sowjetunion auswanderten, um ihren Idealismus auszuleben und im Anschluss wieder retour zu kommen, um das "Gelernte" in der Heimat umzusetzen. Sie bauten einen Wahnsinns-Apparat auf, verfeinerten laufend ihre Methoden und bauten auf die Kontrolle der Kontrolle Der Autor schreibt über grausame Schicksale, hat viel Hintergrundwissen recherchiert und zeigt einen Staatsapparat auf, der von Denunziationen sowie Verleumdungen lebt und auf Überwachung aufgebaut ist. Das Stalin-Trauma, wie der Untertitel dies so schön bezeichnet, kann man nach der Lektüre dieses Buches sehr gut nachvollziehen (und man darf froh sein, diese Zeit nicht selbst erlebt zu haben). Man liest über Schicksale, die den Säuberungsaktionen Stalins zum Opfer fielen, die als Verräter abgestempelt wurden und von Krankheit oder Armut geprägt in der Psychiatrie landeten oder gleich den Tod als Ausweg nahmen. Die Ungewissheit über den Verbleib der Angehörigen, die Verhöre, die Folterungen - damit muss man erst mal zu leben lernen. Wie der Autor dies analysiert und mit der DDR in Verbindung setzt, wie Deutsche erst in der Sowjetunion aktiv waren und im Anschluss dieses System mit in ihre Heimat übernommen haben, finde ich sehr gut aufbereitet (wenngleich dies während des Lesens oftmals Kopfschütteln hervorruft). Wie werden Menschen dazu gebracht, um so zu agieren? Welche Beweggründe hat ein Mensch, um sich mit solcher Intension einem solchen politischen System zu verschreiben? Wie kann man nicht davor zurückschrecken, die eigenen Freunde oder die Familie zu verraten? Man liest über Manipulation, Gehirnwäsche, dann wieder über einen Überlebenswillen, der seinesgleichen sucht. Viele hatten einfach nur Glück, dass sie am Leben geblieben sind. Viele wurden gebrochen - physisch oder psychisch. Das Schweigen nach der Rückkehr wurde zur Pflicht, ansonsten wurde man anderweitig ruhiggestellt. Wie viel Angst und Verdächtigungen an der Tagesordnung standen, kann man als Außenstehender wohl kaum nachvollziehen. Auch wenn Petersen hier einen guten Einblick vermitteln kann. Der Autor schafft es, trotz der schrecklichen Geschichten, diese sachlich und sehr ruhig niederzuschreiben - da darf man den Hut vor ihm ziehen. Ein herausragendes Buch, das trotz des schrecklichen Themas sehr interessant zu lesen ist und das ich gerne weiterempfehle. 5 Sterne.
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