Erika, oh Erika!
Dieses Buch war ein Zufallsfund in einem Buchladen und ich finde das Cover sehr schön. Der graue Hintergrund, das blaustichige Foto, dazu die kraftvolle Schrift. Ich gucke es gern an. Und trotzdem finde ich den Inhalt schwer zu beurteilen.Worum geht es?Das Buch beleuchtet die Leben der Töchter Thomas Manns, Erika, Elisabeth und Monika. Allerdings verflechtet der Text nicht drei Biografien, sondern betrachtet anfangs alle sechs Geschwister, im Mittelteil Erika Mann mit geringen Anteilen Monikas und noch weniger Elisabeth, bevor es im letzten Fünftel überwiegend um Elisabeth, ein bisschen um Monika geht.Wie hat mir das Buch gefallen?Die Beurteilungen der drei Frauen fand ich erhellend, wirklich nahegekommen sind sie mir nicht.Das liegt, denke ich, auch an der Quellenlage: Erika Mann war schon sehr früh publizistisch tätig, sie stand den Eltern am nächsten, daher gibt es viel Stoff zu erzählen. Monika hat später belletristische und autobiografisch-geprägte Texte geschrieben, wird aber in den Briefen und Tagebüchern ihrer Verwandten wenig erwähnt. Elisabeth hat überwiegend wissenschaftlich und publizistisch gearbeitet, wenngleich sie als die andere Lieblingstocher Erwähnung von der Familie findet. Um ein umfassendes Porträt zu zeichnen sind vor allem von Monika und Elisabeth zu wenige Fakten da. Von Golo Mann kann man z.B. ein ausführlicheres Bild malen, weil er zahlreiche Briefe und Tagebucheinträge hinterlassen hat.Vor allem Monikas Versuche sich zu emanzipieren, ihr Veröffentlichungen, wirken immer etwas deplaziert, nicht gut eingeordet. Auch der lange Abschnitt über Elisabeth am Ende. Eine Entwicklung der Frauen von Kindern zu gereiften Persönlichkeiten zeichnet das Buch nicht.Konflikte mit den anderen Geschwistern werden angerissen, das Buch beschränkt sich aber überwiegend auf die drei Frauen und die Mutter. Erfrischend fand ich die Erwähnung aus Frido Manns "Achterbahn", in der z.B. seine Beziehung zu Elisabeth und Monika kritisch hinterfragt wird.Davon hätte ich mir im Buch mehr gewünscht: Ein Hinterfragen des Bildes, das die Frauen von sich zeichneten.Gut fand ich die Einordnung innerhalb der Stellung der Familie, die Rolle, die sie für die "Firma Thomas Mann" verkörpern. Immer wieder kommt Unverständnis darüber auf, dass Monika ausgeschlossen wurde. Ich vermute, dass es Neid war: Während die anderen Mitglieder mit ihrer Melancholie und mit der Kunst kämpften, also vor allem das eigene Leiden celebrierten, war Monika einfacher gestrickt, verliebte sich leicht, konnte sich für keinen beruflichen Weg entscheiden. Trotzdem kommt mir Monika wie eine Außenseiterin vor. An einer Stelle arbeitet die Autorin gut heraus, wie schwierig die Emmigration für die Menschen war, weil sie ihr soziales Umfeld und die Möglichkeit zur Kultur verloren, im Falle der Manns erst in der Schweiz, dann in den USA; Erika konnte damit gut umgehen. Ich mag das Buch an den Stellen, an denen die Erzählerin einen Schritt zurücktritt und das Geschehen beurteilt. Und dennoch waren diesen Stellen so spärlich gesehen, dass es auf mich nicht rund wirkte.Ich finde auch den Schlussatz etwas überzeichnet: "So kann über die Geschichte der drei Töchter [...] das Spektrum an Entfaltungsmöglichkeiten bürgerlicher Frauen im 20. Jahrhundert sehr prägnant aufgefächert werden" (S. 316). In diesem Kontext wurden die Biografien vorher nicht betrachtet. Man kann sie so beurteilen, denn die Frauen haben sehr unterschiedliche Lebenswege gewählt. Trotzdem empfand ich sie nicht als exemplarisch.Aus meiner Sicht wäre mit dem Buch mehr möglich gewesen.Der Schreibstil ist dazu passend sachlich, aber gut zu lesen. Für mich an manchen Stellen aber zu locker.Und wirklich Neues erzählt das Buch nicht. Vor allem die Passagen über Erika sind aus anderen Biografien bekannt, ich fand das notwendig für die Chronologie, aber etwas langweilig.FazitIch finde es nicht die beste Biografie, weil mir ein Stück "Seele" der drei Frauen fehlt. Wenn man das Buch geschenkt bekommt, kann man damit drei tolle Tage verbringen, wirkliche Hänger gibt es nicht. Ich mag den beurteilenden Ansatz und hätte gern mehr davon gehabt. So wirkt der Text irgendwie zwischen den Stühlen. Was aber, wie gesagt, auch am Stoff liegt.