In »Truboy« begibt sich Anuschka Roshani auf detektivische Spurensuche. Sie trifft Weggefährten und Kumpane Truman Capotes - darunter die Letzten, die den Autor von Bestsellern wie Frühstück bei Tiffany und Kaltblütig lebend sahen, wie seine Fast-Adoptivtochter, seinen langjährigen Freund oder seinen Tanzpartner im Studio 54. Von ihnen erfährt sie nie gehörte prallbunte Storys, die allesamt eine Existenz bezeugen, die larger than life erscheint. Dann am Ende ihrer Reise erfüllt sich sogar ihr Stoßgebet: Anuschka Roshani spürt ein Fragment von Capotes verschollenem Roman »Erhörte Gebete« auf.
Truboy ist ein Roadmovie zum Lesen, eine vergnügte Neuentdeckung des weltberühmten Schriftstellers.
Besprechung vom 29.09.2024
Besondere Vorkommnisse
Hundert Jahre Capote
Das letzte Werk von Truman Capote - der an diesem 30. September vor hundert Jahren geboren wurde - ist ein Fragezeichen. Im Jahr 1975 erschienen im "Esquire"-Magazin Teile eines Schlüsselromans, der angeblich Capotes Meisterwerk werden sollte. Die Texte schilderten intime, oft obszöne Details aus dem Alltag mehrerer Frauen der New Yorker Elite. Capote hatte jahrelang Betrachtungen und Anekdoten aus dem dekadenten Leben seiner besten Freundinnen gesammelt. Deren Veröffentlichung sorgte für einen Skandal und für Capotes Ausschluss aus jenen glamourösen Kreisen, die sein natürliches Habitat geworden waren - nachdem er großartige Bücher wie "Frühstück bei Tiffany" und "Kaltblütig" geschrieben hatte und zu einem Fixstern der englischsprachigen Literatur und überhaupt der Popkultur des 20. Jahrhunderts aufgestiegen war. Der Fall ist Capotes "gesellschaftlicher Selbstmord" genannt worden. Der vollständige Roman - sollte ihn Capote denn zu Ende geschrieben haben - erschien nie. Seit seinem Tod infolge der Alkohol- und Drogensucht vor vierzig Jahren, im August 1984, kursierten aber Legenden über das Schicksal des restlichen Manuskripts. Auf der Suche nach dem "verlorenen" Roman hat jetzt Anuschka Roshani, Herausgeberin von Capotes Gesamtwerk in deutscher Sprache, einige der letzten Zeugen getroffen, die den Schriftsteller noch persönlich kannten. Für "Truboy" (Kein & Aber, 25 Euro) hat sie mit Capotes sogenannter "Adoptivtochter" gesprochen, mit seinem letzten Interviewpartner und seinen Nachlassverwaltern. Aus diesem Chor von Stimmen und Roshanis Reflexionen über Capotes Leben, angereichert mit den Zeugnissen ihrer eigenen Besessenheit von ihm, ist ein unterhaltsames, persönliches und sehr originelles Buch entstanden. Vom sagenumwobenen letzten Manuskript aber fehlt nach wie vor jede Spur. Stellenweise fragt man sich zwar, ob man heute noch mehr Informationen über Capote - angeblich meistfotografierter Schriftsteller der Geschichte, harte Kindheit, glänzende Karriere, tragisches Ende, Partys, Lieb- und Feindschaften, alles Stoff etlicher Bücher, Filme und Serien - nötig hat. Doch als leidenschaftliche Einladung, zu Capotes Geburtstag dessen brillantes Werk wieder zu lesen, verlorenes Opus magnum hin oder her, möchte man Roshanis Buch nicht missen. hdca
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