Sehr pragmatisch erzählt, das Ende hat mir nicht gefallen
Dieses Buch ist mir immer mal wieder in Rezensionen begegnet. Die Hinweise, dass es sich hier um ein Psychogramm handelt, hat dann doch meine Neugier geweckt. Eingezogen ist es letztendlich, weil im Frühjahr das neue Buch des Autors erscheint und ich, quasi als Vorbereitung, erst mal diesen Bestseller lesen wollte.Es wird schwierig sein, einen Überblick über den Inhalt zu geben, ohne zu Spoilern. Deswegen werde ich mich hier sehr knapp halten. Ein Mann pflegt zuvorkommenden Kontakt zu Frauen. Drei stehen im Mittelpunkt und füllen die drei Teile des Romans mit Inhalt. Im ersten Teil lernen wir Orna kennen, die nach der Trennung von ihrem Mann Sorge hat, ihrem kleinen Sohn nicht gerecht zu werden. Auch macht sich Einsamkeit in ihrem Leben breit, und so freut sie sich, als sie Gil kennen lernt, der sie umwirbt und zumindest verbal unterstützt. Doch hält sie sich erst mal sehr zurück, was den Kontakt zu ihm betrifft. Sein Verhalten ist oft sehr ambivalent, doch nach und nach nähern sie sich an. Schließlich einschließt sich Orna zu einer kleinen Reise mit ihm.Im zweiten Teil steht Emilia im Mittelpunkt, die fremd in einem Land ist, dass ihre Arbeit schätzt, indem sie sich aber jeden Tag aufraffen muss, ihr Leben zu meistern. Sie arbeitet in der Pflege und lernt fast nur in diesem Kosmos andere Menschen kennen. Lediglich ihr Glaube gibt ihr Halt. Auch sie hat einen Bezug zu Gil, den sie völlig falsch einschätzt.Im dritten Teil lernt Gil eine Frau in einem Café kennen, die ihn fasziniert, ihn aber keinesfalls ermuntert, den oberflächlichen Kontakt zu vertiefen.Es zeichnet sich nun eine Entwicklung ab, die mehr mit einer Kriminalgeschichte als mit einem Beziehungsroman zu tun hat. Nach und nach tasten wir uns vor, rätseln über Gründe und Motivationen und spätestens ab Ende des ersten Teils wissen wir, wo die Reise hingeht. Hier liegt auch der größte Überraschungseffekt. Die berichthafte Erzählweise des Autors hat mich sofort an ein Protokoll erinnert. Kurze, knappe Sätze, so gut wie keine wörtliche Rede und Wechsel der Tempora lassen den Text sehr pragmatisch und vage wirken. Mir kam es des Öfteren vor, als würde mir jemand ohne jegliche Emotionen, Betonung oder Mimik eine Geschichte erzählen. Deshalb lässt sich auch erst mal nicht ableiten, wohin Mishani mit uns hin möchte. Als dieses dann im zweiten Teil relativ klar wird baut sich Spannung auf. Die Frage danach was passieren wird und ob all das an die Öffentlichkeit dringt, hielt mich am Lesen. Hier hatte das Buch Pageturner Charakter. Im dritten Teil hingegen war Vorhersehbarkeit allgegenwärtig. Keine großen Überraschungen und das Ende war tatsächlich für mich eher unbefriedigend.Interessant fand ich, wie der Autor die Perspektiven wechselt. Sind wir am Anfang sehr bei der Protagonistin, so schwankt die Sichtweise im Mittelteil zwischen Emilia und Gil. Im letzten Teil kommt noch eine weitere Perspektive dazu und wir sind weniger auf der Seite der Frau, sondern mehr bei ihm. Der Blick kippt also um 180° und das macht Mishani sehr geschickt.Was halte ich also in den Händen? Ein Psychogramm? Einen Roman? Oder doch eher eine Kriminalgeschichte? So genau lässt sich das Buch nicht einordnen, wenn ich auch eher zu Letzterem tendiere. Warum dieser Text so ein großer Bestseller war, erschließt sich mir nicht so ganz. Ich ordne die Lektüre zwischen Spannung und Vorahnung ein und ein mulmiges Gefühl, bleibt zurück. Vielleicht ist es das, was viele Leser*innen gefeiert haben?Ich empfehle das Buch besonders denjenigen, die reduzierte und ruhig erzählte Geschichten lieben, in denen der Ausgang ungewiss ist.