Besprechung vom 20.05.2025
NS-Zeit, verdichtet
Elfi Conrads Roman "Als sei alles leicht"
Als sich im Winter und Frühjahr 1944/45 die Niederlage des Angreifers Deutschland abzeichnete, bedeutete das für viele Deutsche die Flucht aus den besetzten Gebieten. Von einer solchen Flucht erzählt der Roman "Als sei alles leicht" von Elfi Conrad, der auf den Erinnerungen ihrer Mutter basiert: Zusammen mit der neugeborenen Dora, ihrer Schwester Katharina und Mutter Margarete flieht sie im Januar 1945 aus Trebnitz in Schlesien, dem heutigen Trzebnica in Polen, über ein Sammellager in Böhmen nach Deutschland.
Das Lager ist überfüllt, und die eisige Kälte sorgt zusätzlich für schlechte Lebensbedingungen. Zudem fehlt es an Nahrung und Versorgungsgütern. Um für ihr Baby Windeln und Wundcreme zu besorgen, macht Ursula den tschechischen Männern, die das Lager beaufsichtigen, schöne Augen: "Trägt ihren roten Mund, ihren fröhlichen Rock, ihre weiße BDM-Bluse und ihre nackten Beine an ihnen vorbei. Präsentiert ihnen ihren hübschen, zweiundzwanzig Jahre alten Körper." Ihre Schwester Katharina fühlt sich derweil vernachlässigt, da die Bedürfnisse des Babys ganz oben stehen: Ihr eigener Hunger, ihr Schmerz und die Verzweiflung über ihre Situation als gerade mal Fünfzehnjährige auf der Flucht treten dahinter zurück. Margarete hingegen sorgt sich um ihre beiden Töchter und ihre Enkelin; sie fürchtet Vergewaltigungen durch die Aufseher, aber ebenso die Kälte, die Lebensmittelknappheit und die Krankheiten, die im Lager kursieren. Sie weiß: "Wenn das Kind Typhus bekommt oder eine andere Infektionskrankheit, wird es nicht überleben."
Jede in einer anderen Lage, sind die drei Frauen nicht nur mit dem blanken Überleben auf einer Flucht beschäftigt, sondern müssen im Angesicht des endenden Krieges auch mit ihrer Schuld und ihrem Schweigen während der Herrschaft der Nationalsozialisten umgehen. Während der Kriegsjahre hatten sich die Maßstäbe verschoben: "Der Krieg stellte andere Fragen als der Frieden. Was konnte wer auf dem Schwarzmarkt organisieren? Wann hatten die Helden Heimaturlaub? Die Erinnerung an ein Leben ohne Krieg verschwamm mehr und mehr. Die Erinnerung daran, wie er begonnen hatte." Nachdem sich diese Ordnung nun langsam auflöst, bleibt insbesondere Ursula mit Orientierungslosigkeit zurück, war es doch sie, die für den Führer geschwärmt und an seine Propaganda von Freiheit und Gleichstellung der Geschlechter geglaubt hatte. Ihre Eltern hingegen lehnen Hitler zwar von Anfang an ab, "doch sie traten in die Partei ein und schwiegen. Weil sie Angst vor der Herabsetzung hatten. Weil sie Angst hatten, Kunden zu verlieren. Weil sie feige waren." Gegen das Schweigen der Eltern und die Führer-Verliebtheit der großen Schwester kommt Katharina nicht an, obwohl sie begreift, dass ihre jüdische Mitschülerin und Freundin nicht weggezogen ist, sondern deportiert wurde. "Wenn sie fragte, erhielt sie keine Antwort. 'Du bist noch zu klein', hieß es."
Die Kapitel aus Ursulas Sicht nehmen am meisten Raum ein, während die Figuren um sie herum auf wenigen Seiten leider eher schablonenhaft bleiben. Insbesondere die Perspektivierung des Babys Dora hätte ausgespart werden können ("Schmerzen. Irgendwo. Hunger. Wehe Haut. Sehnsucht nach ihr"), da sie nur als Rahmen für den Vorausgriff auf Doras Leben als Jugendliche und Erwachsene dient. Das erzählerische Potential dieses Ausblicks bleibt hinter der kurzen Darstellung auf nur fünf Seiten zurück.
Diese Kritik lässt sich auch insgesamt auf den Roman übertragen, dessen Inhalt und auch die verschiedenen Figuren mit ihrem Konflikt rund um Mitschuld an den NS-Verbrechen zwar nach wie vor gesellschaftlich relevant sind - als Vergleich kann auf den wiederentdeckten und vielbeachteten Roman "Berliner Briefe" von Susanne Kerckhoff verwiesen werden. Allerdings wird dies in "Als sei alles leicht" nur knapp ausgestaltet, vielmehr verdichtet zu einer Art Romankonzentrat. Dadurch wirken die Figuren skizzenhaft, ihre Motive nur angedeutet und die Handlung teilweise sprunghaft (so harrt die Familie mehrere Tage und Nächte während der Bombardierung Würzburgs im Keller eines Theaters aus - erzählt wird davon: nichts). Auch die Sprache erfährt eine solche Verdichtung. So gibt es eine Vielzahl an Sätzen, die ganz ohne Subjekt auskommen. Auf sprachlicher Ebene hat dies allerdings einen durchaus lohnenswerten Effekt, da wenige, aber präzise gewählte Wörter hier für einen schonungslosen, da unvermittelten Erzählton sorgen. Und doch wirkt es, als fehlen in Elfi Conrads Roman "Als sei alles leicht" an einigen Stellen ein paar Sätze. EMILIA KRÖGER
Elfi Conrad: "Als sei alles leicht". Roman.
mikrotext, Berlin 2025. 120 S., geb.
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