Dass dieser Klassiker der Kinderliteratur eines meiner ganz besonderen Lieblingsbücher ist, wissen die Leser von Harry&Pooh. Es gibt unterschiedliche Ausgaben von diesem immerwährend zeitgemäßen Text, und er hat immer wieder Illustratoren und Verlage dazu verführt, eine eigene Interpretation vorzulegen. In diesem Fall handelt es sich um eine überzeugend schöne neue Arbeit. Der ganze Charme englischer Landschaftsillustrationskunst ist hier als Maßstab angelegt und dabei kamen nicht nur einzelne Bilder, die den Text ergänzen, zustande, sondern sozusagen ein "Gesamtkunstwerk". Fast könnte man diese Ausgabe als Bilderbuch bezeichnen, denn auf fast jeder Seite dieses umfangreichen Textes findet sich mindestens ein Bild, das die Stimmung der emotionalen Kräfte, von denen die Helden umfangen sind, widerspiegelt. Aber die Künstlerin hat auch ihre Liebe zu den unzähligen Tieren, die die Handlung bevölkern, zum Ausdruck gebracht, indem sie keine Gelegenheit auslässt, z.B. das Rotkehlchen aufgeregt flatternd erzählen zu lassen, während der lächelnde Fuchs ihm zuhört; eine nachdenkliche Maus, das sich vor Vergnügen kugelnde Eichhörnchen, aber auch Blüten und Blätter von Pflanzen scheinen nicht nur eine Funktion zu erfüllen, sondern ihren Beitrag zur Lebendigkeit und Zusammengehörigkeit zu leisten. Und wenn dann ein Kapitel beginnt: "Da hat doch jemand geweint", dann sitzen alle Tiere mit aufmerksamem Gesicht und gespitzten Ohren unter dieser Zeile, sozusagen auf dem Sprung, um zu helfen. Aber vor allem wird Mary, das einsame Kind, seine die Probleme lösen, mit all der Unterstützung, die die Natur ihr bieten kann. Und weil das Buch ein echtes Märchen ist, muss sie sich selber heilen, um am Ende die Kraft zu haben, ihr Leben zu gestalten. "Und wenn sie nicht gestorben sind...", heißt es in den Volksmärchen - wie schön, dass diese Geschichte noch immer lebt. (Rezension von Gabriele Hoffmann aus dem LibriFachkatalog Harry & Pooh 2009/2010)