Am 16. August 2020 feierte der Aufbau Verlag sein 75. Jubiläum. Zum Notartermin 1945 erschien auch Klaus Gysi, Vater der Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Gysi und des Rechtsanwalts und Politikers Gregor Gysi.
Der Journalist Hans-Dieter Schütt, der bereits 2017 mit Gregor Gysi dessen Autobiografie geschrieben hat, schrieb die Einführung zum Buch und moderiert geschickt und facettenreich das Gespräch über Klaus Gysi. In der Einführung zeigt Schütt anhand der Karrierestufen Gysis konzentrierte und nicht widerspruchsfreie DDR-Geschichte.
Als Immigrant in Frankreich während des Zweiten Weltkrieges macht Klaus Gysi(1912-1999) in der DDR eine "erstklassige Karriere zweiter Qualität" (Christoph Dieckmann).1957 wird er der vierte Aufbau-Verlag-Chef. Strittmatter nennt ihn einen "Hans-Dampf-Verlagschef". 1965 nach dem 11. Plenum des ZK der SED, das eine Zäsur in der DDR Kulturpolitik darstellte, wird Gysi Ulbrichts letzter Kulturminister, 1973 dann Honeckers erster Botschafter in Italien und Malta, ab 1979 Staatssekretär für Kirchenfragen bis zu seiner Entlassung 1988.
Das Gespräch der Geschwister weist auf den familiären Zusammenhalt der Gysis, gegenseitigen Respekt und eine konstruktive Streitkultur, die auch eine Diversität der Meinungen und Lebensläufe aushält. Gabriele G. betont, erst Distanz zum eigenen Gefühl ermögliche Sachlichkeit und damit Austausch von Argumenten
Besonders interessant wird das Buch, wenn der Erinnerungsprozess und die
Rolle von Geschichtsschreibung seit der Wende hinterfragt werden. So bestehe wahre Freiheit in der Freiheit einer persönlichen Erinnerung, die auch die Spannung zwischen Selbstbehauptung und Selbstzweifel erträgt.
Im Gespräch lernen wir Klaus Gysi als Techniker und Artist kennen, der die Politik der SED mitträgt, dann aber wieder Mögliches auslotet und geschätzter Gesprächspartner für Andersdenkende ist.
Das Buch ist empfehlenswert als äußerst lesenswertes Zeitzeugnis, witzig, klug und von hohem Unterhaltungswert.