Jana und Noah sind mit ihren beiden kleinen Kindern aufs Land gezogen. Der Traum vom eigenen Haus ließ sich in der Stadt nicht verwirklichen, obwohl beide nicht schlecht verdient haben. Aber einfach dürfte es auch hier nicht werden, denn Jana hat ihren Job in der Agentur gekündigt, nachdem ihre Chefin wenig begeistert auf ihre dritte Schwangerschaft reagiert hat.
Außerdem fühlt sich Jana fremd in der Neubausiedlung, in der sie die Einzige zu sein scheint, die ihre Kinder ganztags in der Kita lässt. Nein, Jana ist nicht heimisch geworden in ihrer neuen Heimat. Das ändert sich erst, als sie Karolin kennenlernt, eine Frau, die ganz locker ihren großen Haushalt managt, sich vorbildlich um ihre fünf Kinder kümmert und dabei noch auf Instagram ihre Bilderbuchfamilie präsentiert. Und die glücklich zu sein scheint in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter. Aber Karolin hat auch einen Mann, der sich kümmert, einen richtigen Versorger.
Dieser Clemens ist so ganz anders als Noah. Der befindet sich schon länger auf dem Rückzug, ist kaum mehr daheim und wenn, dann nicht ansprechbar. Jana fühlt sich von ihm im Stich gelassen, ganz konkret bei den häuslichen Pflichten und bei der Kindererziehung, aber auch emotional. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Beziehung zunehmend verstummte. Kein Wunder, dass sie fasziniert ist von ihren neuen Bekannten und deren heiler Welt.
Sie verfolgt schon beinahe obsessiv Karolins Insta-Kanal, und ist glücklich, als sie immer mehr zum inneren Zirkel von Karolin Zugang findet. Sie freut sich über die Einladung zum Mama-Lesekreis, auch wenn ihr die Themen anfangs suspekt sind : Kita-freie Erziehung oder keine Impfpflicht für Kinder.
Obwohl sich hinter der vermeintlichen Idylle Brüche und Widersprüche verbergen, so gerät Jana doch immer stärker in den Dunstkreis ihrer neuen Freunde, die sich auch ganz offen politisch rechts verorten. Und bald steht sie gemeinsam mit anderen Frauen an einem Parteistand der AfD und kämpft gegen die Einrichtung eines Asylbewerberheims in der Innenstadt.
Hannah Lühmann greift in ihrem zweiten Roman ein aktuelles Thema auf. Die sog. Tradwives, die auf Social Media sehr erfolgreich ihr traditionelles Familienleben inszenieren und damit ein konservatives Rollen- und Gesellschaftsbild propagieren. In den USA gibt es diesen Trend schon länger, politisch meist im rechten Spektrum angesiedelt. Und auch in Deutschland passt diese Bewegung in das traditionelle Wertesystem der rechten Parteien.
Warum moderne Frauen anfällig werden können, ihr Heil in der Hausfrauen- und Mutterrolle zu finden, das zeigt Hannah Lühmann exemplarisch an ihrer Protagonistin. Denn Jana kennt den Spagat zwischen Job und Familie, weiß, wie viel Kraft der kostet und wie wenig Unterstützung frau dabei erfährt. Gleichzeitig kann der Alltag mit den eigenen Kindern befriedigender sein als mancher langweilige Bürojob.
Dabei zeichnet die Autorin ihre Hauptfigur als unsichere und überforderte Frau, die ihre alten Werte zunehmend in Frage stellt. Ihr früheres Leben mit Mann und Job existiert nicht mehr, bei Karolin und deren Umfeld findet sie Unterstützung und Gemeinschaft.
Der Autorin gelingt es sehr gut, diese langsame Veränderung von Jana an vielen kleinen Episoden erfahrbar zu machen. Dabei schwingt untergründig etwas Unheimliches und Bedrohliches mit. Dazu passt das überraschende Ende, das viele Fragen aufwirft.
Der Roman liest sich süffig, so dass man die knapp 170 Seiten in einem Rutsch durchlesen kann. Etwas mehr Seiten hätte ich dem Buch gewünscht, angesichts der Fülle an Themen.
Auch wenn manche Figuren etwas blass bleiben, so z.B. Janas Mann Noah, dessen Rückzug kaum erklärt wird, andere eher Klischees entsprechen wie Janas Hippiemutter, so gelingt der Autorin doch ein authentisches Bild bestimmter sozialer Milieus.
Der Roman überzeugt weniger mit sprachlicher Brillanz und literarischer Finesse. Dafür greift er viele aktuelle Fragen auf und bietet jede Menge Diskussionsstoff. Ein Lob noch für das tolle Cover, das kongenial das Thema illustriert.