
Besprechung vom 06.12.2025
Eine Stadt, wie sie im Buche steht
FRANKFURT Bücher über die Mainmetropole sind beliebt. Und so hat es auch in diesem Jahr wieder eine Reihe von Neuerscheinungen gegeben, die sich mit der Geschichte, der Gegenwart und den vielen Eigenheiten der Stadt befassen. Auf dieser Seite stellen wir einige neue Bände vor. Es sind Bücher, die klüger machen, aber auch unterhalten, lohnende Lektüre für Frankfurt- Kenner und alle, die es werden wollen. Vielleicht finden einige der Werke ja sogar noch den Weg auf den Gabentisch.
Aus großer Zeit
Wie Bücher haben auch Städte ihr Schicksal. Manchmal läuft es gut, gelegentlich herrscht Flaute. Großartig war Frankfurts intellektueller Ruf in den Jahren nach 1968, auch wenn die Stadt ihren Verächtern gleichzeitig als Hort der Studentenrevolution, kalte Bankenstadt, biederes Nest und Verbrechensort galt. Aber die Kultur blühte jahrzehntelang, wovon Frankfurt bis heute profitiert. Kenneth Hujer hat mit Kennern und Zeitzeugen wie Daniel Cohn-Bendit, Eva Demski und Barbara Klemm gesprochen. Wenn man nur wüsste, wie sich so etwas wiederholen lässt. balk.
"All das passierte in diesem irrsinnigen Milieu Frankfurt", Kenneth Hujer, Ventil Verlag, Mainz 2025, 248 Seiten, 25 Euro.
Geistesblitze
Manchmal ist sich Frankfurt selbst genug, meist aber schaut man von hier aus neugierig in die Fremde. Nicht nur wegen des Flughafens, sondern auch aus Weltoffenheit und Unternehmungsgeist. Da kann es schon vorkommen, dass man als gebürtiger Frankfurter wie Henri Nestlé von der Schweiz aus ein Weltunternehmen aufbaut. Oder wie Maria Sibylla Merian den Atlantik überquert, um die Tiere und Pflanzen Surinams zu zeichnen. Manfred Köhler erzählt von elf Frankfurtern, die über den Tellerrand blickten. balk.
"Geniestreiche aus Frankfurt".
Manfred Köhler,
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2025,
184 Seiten, 20 Euro.
Frankfurter Orte
Wie blicken Schriftsteller auf Frankfurt? Acht Autoren wurden eingeladen, um über Orte in der Stadt zu schreiben - herausgekommen sind grandiose Kurzgeschichten. Eckhart Nickel zieht es an die Uni, Anna Yeliz Schentke ins I.G.-Farben-Haus. Amanda Lasker-Berlin schreibt über den Riederwald, Jakob Nolte über die Kleinmarkthalle, Zsuzsa Bánk über die Jahrhunderthalle. Britta Boerdner beobachtet das Europaviertel, Jan Brandt das Nitribitt-Haus und Manja Präkels begibt sich ins Bahnhofsviertel. ajue.
"Acht Orte - Acht
Autor:innen",
Hauke Hückstädt/Oliver Elser (Hrsg.), Henrich Editionen, Frankfurt 2025,
148 Seiten, 14 Euro.
Moderner Baumeister
Die ikonischen Bauten des "Neuen Frankfurts" hat Martin Elsaesser entworfen. Der aus Baden-Württemberg stammende Architekt schuf Ende der Zwanzigerjahre die Großmarkthalle, das Restaurant im Palmengarten und das Haus Höhenblick. Leider nicht realisiert wurde sein spektakulärer Entwurf für die Frankfurter Kunstgewerbeschule. In einer wuchtigen Monographie zeichnet der Autor Jörg Schilling den Werdegang Elsaessers detailliert nach, er schreibt auch über sein Wirken in Stuttgart, Köln, Rom, München, Ankara und Berlin. Mit zahlreichen Fotografien, Skizzen und Plänen. ajue.
"Martin Elsaesser -
Baukunst zwischen
den Zeiten",
Jörg Schilling, av edition, Stuttgart 2025, 288 Seiten,
59 Euro.
Filmstadt Frankfurt
Um die ganze Region geht es auch, von der Kronberger Villa Gans, in der Hollywood-Komponist Hans Zimmer aufgewachsen ist, bis zur Caligari Filmbühne Wiesbaden als Heimat von Festivals wie Go East. Vor allem aber regt Sabine Börchers an, durch Frankfurt zu spazieren, auf den Spuren von Fassbinder, Hitchcock oder Camilla Horn. Lebendige Filmorte wie das Archiv des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums sind ebenso dabei wie einstige Wohnhäuser von weniger bekannten Größen, etwa der Scherenschnittkünstlerin Edeltraud Engelhardt. Kompakt und anregend. emm.
"101 Filmorte in Frankfurt und Rhein-Main",
Sabine Börchers, Societäts-Verlag, Frankfurt 2025,
216 Seiten, 16 Euro.
Was Design ausmacht
Wäre der öffentliche Raum so sorgfältig gestaltet wie dieses Buch, wäre viel gewonnen. Typographie und Layout des Sammelbandes "Was kann Design denn schon ausrichten?" machen jedenfalls neugierig auf die World Design Capital 2026, auf die die 13 Aufsätze hinführen sollen. Dass es dabei nicht nur um Gestaltung geht, sondern auch um die Ausstrahlung von Orten, machen Ben Kuhlmanns Fotos mit Frankfurter Motiven in der Mitte des Bandes deutlich. Von den 320 Seiten muss man nur die Hälfte lesen, denn die Texte sind auf Deutsch und Englisch abgedruckt. mu.
"Design for Democracy. Reader",
Anna Scheuermann, Matthias Wagner K (Hrsg.), av Edition, Stuttgart 2025, 320 Seiten,
29 Euro.
Die Geister, die ich rief
Dieses Buch wiegt schwer und kommt doch unendlich leicht daher. Wer es öffnet, sollte bequem sitzen - allein wegen des Gewichts - und viel Zeit mitbringen. Denn es geht auf Entdeckungsreise durch die Straßen Frankfurts. In "Geisterstunde" wird Straßenkunst gezeigt. Mal rau, mal schmutzig, mal illegal, mal weich und zart, oft vertraut. Die "City Ghosts", die in Frankfurt Stromkästen und Mülleimer zieren, kennt jeder, der mit offenen Augen durch die Stadt zieht. Das Buch zeigt nicht nur die Arbeiten des Künstlers Phillip A. Schäfer, sondern gibt als Ergänzung zu den Fotografien auch verschiedenen Autoren Raum, für Poesie und Geister-Gedankenspiele. mali.
"Geisterstunde - Arbeiten
im öffentlichen Raum",
Philipp A. Schäfer/
Michael Wagener (Hrsg.),
gutleut verlag, Frankfurt 2025, 404 Seiten, 80 Euro.
Wilde Welt
Wenn über das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben wird, dann geht es meist um Drogen, Prostitution und Müll. Der Frankfurter Fotograf Ulrich Mattner ignoriert das Elend nicht, sagt aber auch: Der kleinste Frankfurter Stadtteil hat viele Gesichter. Mit seiner Kamera fängt der Fotograf die widersprüchlichen Facetten des Viertels ein - in ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Bildern. Der Gestalter Gregor Krisztian hat aus diesen Aufnahmen einen spannenden Bildband gemacht. Wer darin blättert, entdeckt Absturzkneipen und edle Bars, Imbissbuden, exotische Lebensmittelgeschäfte und Typen wie den "Woscht Willi". ajue.
"Die ganze Welt in
einem Kiez: Das Frankfurter
Bahnhofsviertel",
Ulrich Mattner/Gregor Krisztian, Henrich Editionen, Frankfurt 2025, 136 Seiten, 22 Euro.
Fanliebe in Bildern
Als Eintrachtfan hat man es nicht leicht, zumindest wenn man schon länger dabei ist. Aufstiege, Abstiege, Pokale, Niederlagen: Wie glücklich darf bei all dem Auf und Nieder derjenige sein, der seine Fußballgefühle verarbeiten kann. Philip Waechter hat das getan, seit 2000 hält er jeden Tag seine Erlebnisse und Empfindungen rund um die Eintracht zeichnerisch auf Postkartenformat fest. 9000 dieser Karten sind von der Hand des Illustrators entstanden, die schönsten seit 2005 haben er und Matthias Thoma, Leiter des Eintracht-Museums, nun in einem Buch zusammengefasst. Und wer seine Eintracht-Gefühle bis heute nicht verarbeitet hat: Dieses Buch bietet die Chance, das zu tun - auf herrlich unaufgeregte und liebevolle Art und Weise. ddt.
"Nur die SGE. 20 Jahre mit Eintracht Frankfurt",
Philip Waechter, Eintracht Frankfurt Museum (Hrsg.), Henrich Editionen, Frankfurt 2025, 108 Seiten, 18 Euro.
Das alte Frankfurt
Die Goldhutgasse, die Engelthaler Gasse, das Hippodrom: Vieles, was vor dem Zweiten Weltkrieg zum Stadtbild Frankfurts zählte, ist Vergangenheit. Anderes hat die Zeiten überdauert, die Hauptwache, der Hauptbahnhof, und alte Fotos dieser Gebäude sehen erstaunlich vertraut aus. Der Influencer Mirko Becker lädt mit seinem Bildband "Damals in Frankfurt" zu einer Reise in die Jahre von 1846 bis 1945 ein, als die Stadt einen enormen Wandel erlebte. Auch dabei: ein Foto vom Eisvergnügen auf dem zugefrorenen Main 1894. Glückliche Zeiten, in denen man sich auf ein neues Jahrhundert freute, das gewiss nur weiteren Wohlstand und Frieden bringen würde. mak.
"Damals in Frankfurt.
Die Jahre 1846 -1945",
Mirco Becker, Societäts-Verlag, Frankfurt 2025, 288 Seiten,
40 Euro.
Im Bahnhofsviertel
Der Fotograf Lars Unger hat sich auf den Weg ins Frankfurter Gallus- und Bahnhofsviertel gemacht. Er hat glückliche und unglückliche Menschen gefunden, tapfere Streetworker, fleißige Friseure, einen Pfarrer, der auch als "Drag-Performer" auftritt, aber auch Rauschgiftsüchtige, derangiert auf der Straße. Unger ist ihnen allen mit seiner Kamera nahe gekommen, manchen so nahe, dass er sie in seinem Bildband "Frankfurt - ungeschminkt" lieber gepixelt hat. Die Fotos zeigen vor allem mit dem Bahnhofsviertel einen Teil der Stadt, von dem die meisten ein festes Bild haben. Die Wahrheit ist vielfältiger und widersprüchlicher, wie Ungers Band beweist. mak.
"Frankfurt - ungeschminkt",
Lars D. Unger, Einzelkind-Verlag, Frankfurt 2025, 164 Seiten, 49,99 Euro.
Handkäs-Rezepte
Von Ingrid Schick gibt es schon zwei Kochbücher zur
Grünen Soße und zu Hessen-Tapas, jetzt hat sie sich einem weiteren Klassiker der hessischen und der Frankfurter Küche gewidmet: In ihrem handlichen Werk "Handkäs-Variationen" versammelt sie mehr als 40 Rezepte jenseits der traditionellen "Musik"-Variante. In fünf Kapiteln stellt sie Spielarten von "experimentell" und "international" über "traditionell" und "de luxe" bis "dolce" vor. Die wenigsten, wie das Handkäs-Fondue, das Handkäs-Cordon-bleu oder der Toast Hawaii hessische Art, stammen allerdings von ihr selbst, die meisten kommen von "Rezeptpaten", sprich Köchen, Gastronomen und Prominenten. bad.
"Handkäs-Variationen",
Ingrid Schick, Societäts-Verlag, Frankfurt 2025, 144 Seiten,
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