Besprechung vom 12.07.2020
Echo Iris Hanika wird für ihre gut zu lesenden, kunstvoll komponierten, sprachspielerischen, intelligenten und witzigen Romane zu Recht gerühmt. Jetzt hat sie einen New-York-Berlin-Liebes-Literatur-Roman geschrieben, der so phantastisch ist, dass man ihm alle Leser und vor allem Leserinnen der Welt wünscht. Er heißt "Echos Kammern" (Droschl, 236 Seiten, 22 Euro), weil er sich auf Ovids Narziss-Echos-Mythos bezieht, aber das ist nur für die Bildungsbürgerinnen unter uns wichtig. Eigentlich - aber was heißt eigentlich, wenn ein Buch Bedeutung in so viele Richtungen produziert - geht es um Sprache. Und zwar ganz explizit, was man sich in einem deutschsprachigen Roman, der nicht nur for the happy few geschrieben wurde, kaum vorstellen kann. Aber es funktioniert! Und ist wahnsinnig komisch und abgründig und voller Reminiszenzen (in erster Linie an Dos Passos' "Manhattan Transfer" und ein von Kurt M. Stein 1925 erfundenes Idiom namens "lengevitch"). Mit und in dieser Sprache aber geht es darum, ob man heute, erstens, noch von New York erzählen kann, ohne sich komplett lächerlich zu machen, und, zweitens, um die Liebe. Nicht irgendeine Teenager- oder Twentysomethingsliebe, sondern um das rasende Verliebtsein, das eine Frau jenseits der fünfzig überfällt und in die amouröse Schreckenskammer katapultiert. Fast wie bei Ovid. Nur nicht so bierernst und voller erzählerischer (Selbst-)Ironie.
beha
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