Besprechung vom 10.07.2025
Im Auge des Donuts
Bossblut: Isabella Straubs Roman "Nullzone"
Wie klingelt ein Paketbote? "Mit der flachen Hand einmal fest aufs Klingelbrett. Wenn du anfängst, nach Namen zu suchen, wächst dir eine Steißbeinfistel." An der Darstellung solcher wie immer von ihr sehr gut beobachteter und unterhaltsam zugespitzter Wirklichkeitsmomente sieht man, dass Isabella Straub es noch kann: Die Österreicherin, die etwa mit "Südbalkon" und "Das Fest des Windrads" tief ironische Gesellschaftsromane über Wien und die Provinz verfasst hat, liefert mit "Nullzone" einen weiteren Beweis ihres gewitzten Erzählens.
Diesmal geht es um drei grundverschiedene Charaktere - den Paketboten Rachid, die Hausmeisterin Elfi und den Philosophen Gabor. Auch das Leben der beiden Letzteren wird dem Leser sofort plastisch vor Augen geführt: Elfi protokolliert "3 Rattensichtungen, Waschmaschine Nr. 6 hustet". Und: "8 neue Sprungverhinderungstafeln montiert". Denn vom Dach ihres Hochhauses, das hier, ebenfalls zugespitzt, einfach nur "Kratzer" heißt, sind leider schon öfter Menschen in den Tod gesprungen. Auch wie manche Handys klingeln, weiß die Autorin gut: Gabor hat als Klingelton kurioserweise die Bach-Kantate "Ich habe genug". Der Mann nennt sich selbst "Gegenwartsforscher" und hat seine Altbauwohnung gekündigt, um mit seiner Lebensgefährtin in einen Bienenwabenbau aus dem 3D-Drucker zu ziehen.
Das ist der Knackpunkt des Romans: Diesem bislang nur geplanten Neubau soll der "Kratzer" weichen. Der schiefe "Versagerturm" steht in der titelgebenden "Nullzone", die reale Baufläche und zugleich Metapher für verschiedene Leerstellen im Leben der Protagonisten ist. Etwa jene, die Elfis Sohn hinterließ, der von einer Weltreise nie zurückgekehrt ist. Auch das Universum, lernen wir in diesem Roman, hat ein Loch in der Mitte - so wie ein Donut. Um das Loch zu füllen, entwickeln die Romanfiguren teils hochfliegende Pläne. Elfi will den Abriss des Kratzers per Unterschriftenaktion verhindern. Rachid denkt über sich, er könne auch "ein guter Chef sein. Fair Play. Er hat die Alphagenetik dafür, das Bossblut, die Königsaura."
Isabella Straub baut noch manche andere Gegenwartsdiskurse in ihre Erzählung ein. Ob es um Künstliche Intelligenz geht, um Transportdrohnen, um Gentrifizierung oder um Rotwein: Fast immer gewinnt sie ihnen eine Pointe ab, und sei es auch nur eine für das "Museum für die Kunst des Augenblicks", in dem Gabors Freundin Sonia arbeitet. Auch die Handlung versteht Straub dramatisch zu verdichten und dabei die Wege der Figuren sich kreuzen zu lassen. Der Showdown findet natürlich oben auf dem Dach statt. JAN WIELE
Isabella Straub:
"Nullzone". Roman.
Elster & Salis Verlag, Wien 2025. 384 S., geb.
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