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Produktbild: ë | Jehona Kicaj
Produktbild: ë | Jehona Kicaj

ë

Roman. Shortlist Deutscher Buchpreis 2025

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Ein stilles und zugleich sprachmächtiges Buch, das vom Verlust der Heimat durch Krieg, von Schmerz und Sprachverlust erzählt. In diesem ergreifenden Debüt findet die Autorin eine großartige eigene Sprache. Der ungewöhnliche Titel »ë« steht für einen Buchstaben, der in der albanischen Sprache eine wichtige Funktion hat, obwohl er meist gar nicht ausgesprochen wird. Als Kind von Geflüchteten aus dem Kosovo ist die Erzählerin auf der Suche nach Sprache und Stimme. Sie wächst in Deutschland auf, geht in den Kindergarten, zur Schule und auf die Universität, sucht nach Verständnis, aber stößt immer wieder auf Zuschreibungen, Ahnungslosigkeit und Ignoranz. Als der Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre wütet, erlebt sie ihn aus sicherer Entfernung. Doch auch in der Diaspora sind Krieg und Tod präsent - sie werden nur anders erlebt als vor Ort. Der Roman »ë« erzählt von dem in Deutschland kaum bekannten Kosovokrieg und erinnert an das Leid von Familien, die ihre Heimat verloren haben, deren ermordete Angehörige anonym verscharrt wurden und bis heute verschollen oder nicht identifiziert sind. Eine Vergangenheit, die nicht vergehen kann, weil sie buchstäblich in jeder Faser des Körpers steckt, wird von Jehona Kicaj im wahrsten Wortsinn zur Sprache gebracht.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
23. Juli 2025
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
169
Autor/Autorin
Jehona Kicaj
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
280 g
Größe (L/B/H)
204/128/20 mm
ISBN
9783835359499

Portrait

Jehona Kicaj

Jehona Kicaj, geb. 1991 in Kosovo und aufgewachsen in Göttingen, studierte Philosophie, Germanistik und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Hannover. Nach wissenschaftlichen Publikationen erscheinen von ihr seit 2020 auch literarische Texte. Sie ist Mitherausgeberin der Anthologie » Und so blieb man eben für immer . Gastarbeiter:innen und ihre Kinder« (2023). Der Roman »ë« ist ihr Debüt.

Pressestimmen

»Ein Text, der komplett von der Sprache und all ihren Aspekten her konstruiert und gedacht ist. ( ) Dieser Text ist wirklich sehr fein, hochpoetisch erzählt. «
(Lara Sielmann, Deutschlandfunk Kultur, 11. 08. 2025)

»Der Roman steht verdientermaßen auf der Longlist zum den Deutschen Buchpreis ( ). Jehona Kicaj hat Worte für das Unsagbare gefunden. «
(Bernd Melichar, Kleine Zeitung, 23. 08. 2025)

»Den vielen Büchern (. . .), die zuletzt vom Ankommen und Aufwachsen in Deutschland berichtet haben, fügt dieses eine Farbe hinzu, die bislang gefehlt hat. «
(Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05. 09. 2025)

»Kicaj ( ) hat das eindringlichste Debüt dieses Herbstes geschrieben, einen Roman, der schon mit seinen ersten Szenen klarmacht, was er kann. «
(Marc Reichwein, Welt am Sonntag, 08. 09. 2025)

»Jehona Kicaj ist ein atemberaubendes Romandebüt gelungen, das einen in der deutschsprachigen Literatur noch kaum beleuchteten Krieg mitten in Europa ins Licht rückt. «
(Cornelius Hell, Die Presse, 20. 09. 2025)

» ë ist ein erstaunlicher, bisweilen großartiger Wurf: klug, klar, gekonnt komponiert. «
(Arno Orzessek, rbb radio3, 29. 09. 2025)

»Kicaj schildert in einer Sprache, die einem wirklich unter die Haut geht und traurig macht. Ich würde mir wünschen, dass dieser Roman viele Lesende erreicht, um mit Vorurteilen aufzuräumen und eigenes Handeln zu überdenken. «
Ina Hausmann, NetGalley

»Ich fand das Buch sehr berührend und emotional aufwühlend. Es hat mir vom Inhalt her sehr gut gefallen, macht nachdenklich und wirft viele Fragen auf. Die Autorin versteht es mit Hilfe einer sehr detailreichen und besonderen Sprache, eine Nähe zum Leser herzustellen. «
Steffi Glücklederer, NetGalley

»Ein Buch, das mich berührte und beschämte. Zu wenig interessierte mich damals das Schicksal der Betroffenen des Krieges. Aus dem Grund bin ich der Autorin sehr dankbar, dass sie mir auf diese Weise die Augen öffnete. «
lielo 99, NetGalley

»Ein sehr wichtiges Thema, das nicht in Vergessenheit geraten darf und zu dem dieses Buch einen wertvollen Beitrag leistet, auch wenn es stellenweise natürlich hart zu lesen ist. Insgesamt ist es ein sehr flüssig und gut geschriebenes Buch mit vielen kleinen Geschichten über die Ich-Erzählerin und ihrer Familie, die so gestaltet sind, dass man sich der Familie nah und verbunden fühlt, sich für sie interessiert und gerne weiterliest. «
Janina Pollack, NetGalley

»Es ist ein verhaltener Text. Was auserzählt wird, kann dennoch Leerstellen haben. Und doch gibt es viele Emotionen, die man als Leser erspüren und verarbeiten muss. Am Ende kann ich ë ein bemerkenswertes Buch nennen! «
Klaus Hünken, NetGalley

»Jehona Kicaj wird mit dem diesjährigen Literaturpreis der Landeshauptstadt Hannover (HANNA) für diesen Roman ausgezeichnet werden, aus meiner Sicht zu Recht. Diese Geschichten über Flucht, Vertreibung, Diaspora und Integration, von denen es viele gibt, sind sich immer sehr ähnlich, und doch ist ein jedes Schicksal individuell. Die Autorin macht das für den Leser zu einem Ereignis. «
Judith Schewe, NetGalley

»Gewalt, die sich in Körper und Erinnerungen eingeschrieben hat und der Umgang, dazu die Frage nach dem, was Wörter ausdrücken können, wenn sie doch eigentlich fehlen, das sind die die Themen, die Jehona Kicaj in ihrem Roman bravourös umkreist und sichtbar macht. Mit ë gelingt ihr ein fabelhaftes Debüt, das die Erinnerung an den Kosovokrieg wachhält und geradezu universell von Versehrung und Sprachlosigkeit nach dem Erleben solcherlei Gewalt erzählt, die bis heute fortwirkt. «
Marius Müller, NetGalley

»Historisch ein Lehrstück. Die Prosa prägnant. Kein Wort zu viel. Das Schicksal berührend. Eine absolut fesselnde Lektüre. «
Christina Kliem, Pustet, Augsburg

Besprechung vom 05.09.2025

Alle Babyfotos sind verbrannt

Wenn Knochen uns anschreien, sollten wir zuhören: Jehona Kicajs Roman "ë" erzählt vom Krieg im Kosovo und von seiner Präsenz in unserer Gegenwart.

Als im Frühjahr 1999 die Meldungen aus dem Kosovo immer düsterer wurden, als von heftigen Kämpfen zwischen Serben und Albanern berichtet wurde, bei denen viele Tausend Zivilisten aus der Region vertrieben und weitere ermordet wurden, bis schließlich die NATO eingriff und einen Waffenstillstand herbeiführte, in dieser Zeit also wurde in deutschen Schulklassen für die zivilen Opfer des Krieges gesammelt. Auch in der Klasse, die von der Erzählerin in Jehona Kicajs Roman "ë" besucht wird - das Mädchen, dessen Namen wir nicht erfahren, ist 1999 etwa acht Jahre alt und lebt seit der Kindergartenzeit mit seiner Familie in Deutschland.

Jedes Kind besorgt einen bestimmten Gegenstand für das Hilfspaket, das die Schule ins Kosovo verschicken will. Dann sitzt die Klasse beisammen, und Frau Wagner, die Lehrerin, spricht über den Krieg in der Region, von "schlimmen Dingen", die dort passierten, von vertriebenen Kindern und niedergebrannten Häusern: "Ich hörte ihr aufmerksam zu, bis sich unsere Blicke trafen. Sie rief meinen Namen und bat mich, etwas zur Situation im Kosovo zu sagen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn sie hatte keine Frage gestellt." Das Mädchen schweigt, die Lehrerin bedrängt sie mit Sätzen wie "Du hast doch sicherlich Familie dort" und was die Angehörigen denn erlebt hätten. Schließlich gibt die Pädagogin vorerst Ruhe: "Vielleicht ein andermal." Die Achtjährige aber beißt sich auf die Lippen, "damit sie nicht zitterten".

Was die mittlerweile längst erwachsene Erzählerin nun aus der Rückschau schildert, ist nicht das, was die Lehrerin damals erwartet hatte - oder zumindest nicht nur das. Sie erzählt auf hundertsiebzig Seiten davon, wie sie, die damals von den Erlebnissen der Verwandten und anderer Bewohner des Kosovos "nur eine dunkle Ahnung hatte", über die sie nicht sprechen konnte, nun anfängt, dieses Dunkel für sich auszuleuchten. Das heißt auch, dass sie nachfragt, wo sie früher die Dinge nur hingenommen hatte, etwa das Verschwinden des Großvaters, der zusammen mit der Familie geflohen war, dann von der Gruppe getrennt wurde und nie wieder auftauchte. Oder dass sie sich Situationen ins Gedächtnis ruft, die sie als Kind deutlich von ihren Klassenkameraden getrennt hatten - wie soll man ein Babyfoto von sich in die Schule mitbringen, wenn alle Bilder aus der alten Heimat verbrannt sind?

Vor allem aber macht sie sich bewusst, wie wenig ihre deutsche Umgebung davon wissen will, was im Kosovo geschehen ist, und wie sich die Maßstäbe verschieben, wenn man sich mit den Ereignissen von einer entfernten Position aus beschäftigt. Einmal wird die Erzählerin auf die Vortragsreihe einer Forensikerin aufmerksam, die in einem Hörsaal von ihrer Arbeit an den Leichen der im Kosovo Ermordeten erzählt, davon, wie sie die Knochen "zum Sprechen bringt", wie es heißt. Die Expertin berichtet vom genauen oder ungefähren Identifizieren der Toten anhand der Beschaffenheit der Überreste, vom Bestimmen der mutmaßlichen Todesursache, davon, was sich anhand der getragenen Kleidung sagen lässt. Die erste Frage aus dem Publikum gilt aber nicht dem Vortrag. Stattdessen will ein Zuhörer wissen, wie die Forensikerin das NATO-Bombardement beurteilt, das "ohne Uno-Mandat" unternommen wurde. Sie sei froh über den Einsatz, antwortet sie nur, denn andernfalls hätte sie zusammen mit ihren Kollegen wohl "wesentlich mehr zu tun gehabt".

Jehona Kicajs Debütroman zeichnet diese Suche der Protagonistin nach, die vieles zusammenträgt und neu bewertet, was sie erlebt und seinerzeit womöglich auch verdrängt hat - lauter kleine und größere Irritationen, die quer zu dem Wunsch standen, unter den Deutschen nicht aufzufallen. Als ihr Freund Elias sie eines Tages in sein Elternhaus mitnimmt, in dem noch Karl-May-Bände stehen, stößt sie auf den Roman "Durch das Land der Skipetaren" mit seinem klischeehaften Bild der Albaner, was ihren Freund offensichtlich nicht weiter gestört hat. An der Uni bemüht sich eine junge Serbin um ihre Freundschaft, die nur entstehen kann, weil alles Politische unerörtert bleibt, bis auf einer Feier auf einmal ein Video mit der "wahren" kosovarischen Nationalhymne abgespielt wird, die das Gebiet als Teil Serbiens beschreibt. Und wenn gedankenlose deutsche Kommilitonen auf einer Reise im Kosovo mit dem Einspruch derer konfrontiert werden, die sich besser mit dem dortigen Leid und Unrecht auskennen, heißt es, "Gefühle" seien "verletzt worden" - offen bleibt, ob damit nicht die der arglosen Besucher aus dem Westen gemeint sind.

Die Erfahrung jedenfalls, dass mit Sprache und Zuschreibungen eine Realität erst geschaffen wird, macht die Protagonistin immer wieder. Was ist sagbar, was geht einem nicht über die Lippen? Die 1991 geborene Jehona Kicaj beginnt ihr Buch mit einer einprägsamen Szene, in der ihre Erzählerin nach dem Schlafen ein abgebrochenes Stück eines Zahns in ihrem Mund vorfindet und von ihrem Arzt erfährt, dass ihr Kiefer nachts so kräftig arbeitet, dass darunter nicht nur die Muskulatur leidet, sondern eben auch das Gebiss. Eine "Auto-Destruktion" der Zähne nennt er das. Der dezidierte Vorsatz des einstigen Kindes, sich im Klassenzimmer "durchzubeißen", hat offensichtlich Folgen. Und wenn ihr Zahnarzt davon spricht, jeder Biss sei einzigartig und persönlich, dann trifft sich das auf unheimliche Weise mit den Schilderungen der Forensikerin.

Kicajs Roman erzählt, deutet an, assoziiert und lässt ein Bild von Heimat und Heimatsuche entstehen, das weit über das individuelle Schicksal der Protagonistin hinausweist und die Grenze zwischen Leben und Tod immer wieder durchlöchert. Wer das Gefühl hat, von Knochen förmlich "angeschrien" zu werden, der wird auch mit den Toten nicht abschließen, und wo etwa Schuhe derart geschickt für die Erzählung benutzt werden wie in diesem Roman, da bleibt im Gewebe des Textes kein Faden lose. Denn Schuhe avancieren hier zum Liebesbeweis, wenn sie verschenkt oder getragen werden, zum Symbol der Unterdrückung, wenn sie bei der Grenzkontrolle vom Fuß weg gestohlen werden, oder als ein Symbol von zurückkehrender Zivilisation inmitten von Trümmern und Brandherden.

Der im Kosovo gebliebenen Verwandtschaft kommt dabei eine besondere Rolle zu. Kicaj beschreibt, wie die Erzählerin mit ihrer Cousine Erinnerungen abgleicht, etwa an die Zeit, in der die Spannungen zwischen den Volksgruppen schon manifest waren, aber nicht zu Massenmorden führten. Während die eine der Cousinen ein wachsendes Bewusstsein für die verübten Gräueltaten entwickelt, die sie nicht direkt miterleben musste, orientiert sich die andere an der kosovarischen Gegenwart und lädt Elias nachdrücklich ein, die Region zu besuchen.

Wie weit eine Verständigung da gehen kann, bleibt offen. Den vielen Büchern aber, die zuletzt vom Ankommen und Aufwachsen in Deutschland berichtet haben, fügt dieses eine Farbe hinzu, die bislang gefehlt hat. TILMAN SPRECKELSEN

Jehona Kicaj: "ë". Roman.

Wallstein Verlag, Göttingen 2025.

176 S., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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Von Betty Literatur am 03.10.2025

Unbedingte Leseempfehlung

ë - Jehona Kicay Whats wrong with taking the side of the victims? Do people here think, that humanitarian help only means sending flour, oil and sugar? Die namenlose Ich-Erzählerin ist zu Beginn der 90er Jahre mit ihren Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Mittlerweile ist sie Studentin. Ein Zahnarzt, den sie aufgesucht hat, bestätigt ihr Bruxismus, eine extremes, selbstzerstörerisches Zähneknirschen, das bis zum Sprachverlust führen kann. Das Thema der Sprache ist der große rote Faden in diesem Buch. Die Erzählerin hat früh gelernt zu schweigen, als Albanerin in Serbien beim Grenzübertritt und als geflüchtetes Kind in Deutschland. Wenn man mich fragt, woher ich ursprünglich komme, möchte ich antworten: Ich komme von einem Ort, der verwüstet worden ist. Ich wurde in einem Haus geboren, das niederbrannte. Ich hörte Schlaflieder in einer Sprache, die unterdrückt wurde. Ich möchte antworten: Ich komme aus der Sprachlosigkeit. Wenn sie ihre Familie im Kosovo besucht, ist sie immer auf der Suche nach ihren Wurzeln und nach dem Leid, dass ihrer Familie angetan wurde, als in den Jahren 1998 und 1999 die Ermordung und Vertreibung der Kosovo-Albaner durch die Serben erfolgte. Es sind die Suche nach verschwundenen Personen, die Identifikation von Leichen nach dem Krieg mithilfe der forensischen Anthropologie, individuelle Schicksale, aber auch die erschütternden Berichte vor dem internationalen Gerichtshof, die sie beschäftigen und aufwühlen. Sie hat nicht nur ihre Muttersprache verloren, auch die Erinnerungen fehlen, verbrannte Bilder einer Kindheit, ausgelöschte Erinnerungen, ein paar übriggeblieben Videokassetten mit Bildern aus der Heimat vor dem Krieg. Die Kieferschmerzen bleiben. Wenn ich Deutsch spreche, habe ich das Gefühl, mein Kiefer müsste sich verrenken, um die Wörter auszusprechen, sie richtig zu betonen. Im Vergleich scheinen die albanischen Wörter für meine Lippen und meine Zunge viel leichter formbar zu sein. Die Erzählerin ist auf der Suche nach Perfektionismus, niemand soll merken, dass sie einen Fehler in der Aussprache des Deutschen macht. Kann eine Sprachlast so stark sein, dass sie Kiefer verformt? Parallel verliert sie ihre Muttersprache immer mehr. Wenn ich albanisch schreibe, mache ich Fehler. Aber die besondere Bedeutung des Buchstaben ë bleibt ihr in Erinnerung. Dieser Buchstabe am Ende verändert die Aussprache des weiblichen Vornamens, er wird eigentlich gar nicht ausgesprochen, aber, Es hat etwas Vertrautes, wenn mich jemand so ruft. Ich erkenne daran sofort, dass jemand auch Albanisch spricht. Albanisch ist in der Sprachetymologie eine isolierte Sprache, aber es gelingt der Autorin ganz wunderbar diese Sprache in ihrem Buch abzubilden, und immer wieder auch die Mehrsprachigkeit erlebbar zu machen. Und sie lässt uns den Zauber dieser Sprache spüren. In diesem Buch geht es um Viel. Identität, Heimat, Verlust und Zerrissenheit, das Leben zwischen Kulturen, die Bedeutung der Sprache, fehlende Erinnerungskultur, die Erinnerung an einen Völkermord, Menschenrechtsverletzungen, Ignoranz gegenüber dem Leid der Kosovo-Albaner. Die Erzählerin verwebt das eigene Erleben mit erschütternden Dokumenten über die Zeit des Kosovo-Krieges und die Zeit danach. Das Buch zeigt auch die Entwicklung eines jungen schüchternen Mädchens zu einer selbstbewussten Frau, die sich mit ihrer Identität zwischen zwei Welten auseinandersetzt und uns erinnert. An furchtbare Dinge, die ihr und ihrem Volk angetan wurden. Es ist ein sehr beeindruckendes und wichtiges Buch. Unbedingte Leseempfehlung.
Von Alrik Gerlach am 01.10.2025

Ein stiller Schrei voller Kraft

Ein Buch, das leise beginnt und dennoch tief im Innersten widerhallt. Jehona Kicaj hat eine Sprache gefunden, die Wunden sichtbar macht, die sich nicht schließen lassen. In jedem Satz schwingt die Erfahrung von Entwurzelung, Verlust und dem ständigen Ringen um Zugehörigkeit mit. Die Erzählerin steht zwischen zwei Welten, und doch fühlt sie sich in keiner wirklich zu Hause. Dieses Dazwischen, dieses nie ganz Ankommen, beschreibt die Autorin mit einer Zartheit, die unter die Haut geht, und mit einer Klarheit, die gleichzeitig verstört und tröstet. Besonders eindringlich ist, wie hier Geschichte in Körper eingeschrieben wird. Krieg, Tod, Sprachlosigkeit nichts davon bleibt fern, selbst wenn das Geschehen geographisch weit weg ist. In den Augen anderer nur ein Kind, das in Deutschland aufwächst, doch im Innern immer das Bewusstsein der verscharrten, namenlosen Toten, die Schatten der Vergangenheit, die nicht verschwinden wollen. Dieses Debüt ist nicht laut, nicht reißerisch, sondern stark in seiner Stille. Es erzählt von der Suche nach Worten, die das Unsagbare fassen können. Von der Kraft, trotz Sprachverlust eine eigene Stimme zu entwickeln. Ein Buch, das nicht nur gelesen, sondern gefühlt werden muss. Vollkommen zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Jehona Kicaj: ë bei hugendubel.de. Online bestellen oder in der Filiale abholen.