Eine tolle Frau, was mir in dem Roman zu kurz kommt
Amelia Earhart war eine einzigartige Person, zielstrebig und leidenschaftlich für ihre große Liebe: das Fliegen. Jo Lendle beschreibt die Tücken der weltberühmten Piloten eindrucksvoll und nimmt uns mit auf eine einzigartige Lebensreise. Dabei ist der Autor sensibel für die großen Hindernisse, denen Frauen damals ausgesetzt waren, und auch für die Errungenschaften, die Earhart in dieser Hinsicht leisten konnte. Im Gedächtnis blieben mir jedoch vor allem unangenehme Liebesszenen zwischen Earhart und verschiedenen Männern - sowie Eleanor Roosevelt. Mit viel Emotionalität und Detailtiefe wurden diese beschrieben, meiner Meinung nach viel mehr als die vielen Erfolge als Pilotin, die sie in ihrem Leben hatte. Vielleicht bleibt das auch mehr in Erinnerung, weil das Buch das Leben Amelias rückwärts erzählt, sodass die beruflichen Erfolge am Anfang noch nicht so viel Tiefe erreichen, wie der persönliche Werdegang in Kindheit und Jugend. Ich denke die Rückwärtserzählung könnte einen Charme besitzen, jedoch nicht bei dieser Erzählung. Jo Lendle beschreibt die Schwierigkeit einer Frau in einem Männerberuf so, wie ein Mann sie eben beschreiben kann. Im Endeffekt behält die starke Fokussierung und teilweise fast schon Reduzierung auf die Sexualität dieser einzigartigen, hart arbeitenden und talentierten Frau* sich vor, dass ihr Wesen, ihre Arbeit und ihre Erfolge in dem Roman zu kurz kommen. Ausgerechnet bei einer Person, der Sexualität offensichtlich total egal war, um nicht zu sagen ihr widerstrebte. Warum also den Fokus in einem Biografieroman so oft auf das Thema setzen, das der Protagonistin am wenigsten bedeutete?Abgesehen von dem ein oder anderen Aufreger, den der Roman in mir erzeugte, hat Jo Lendle eine tolle Erzählweise, der man gut folgen kann. Und an vielen Stellen wird die Erzählung der Person gerecht. Daher mittlere drei Sterne von mir.