Besprechung vom 17.02.2024
Gebautes Selbstporträt
Wenn der Architekt als Bauherr für sich selbst ein Gesamtkunstwerk entwirft: Gerhard Kabierske widmet sich mit gebotener Genauigkeit dem Haus Eiermann in Baden-Baden.
Architekt und Bauherr: Ihr Austausch ist für das Gelingen des Hauses entscheidend, und Differenzen auszuhalten bestimmt ihre Kooperation. Jeder Änderungswunsch kann nerven, aber auch Anstoß für eine bessere Lösung sein. Das Verhältnis kennt zwischen Abschätzigkeit und Respekt viele Facetten: "Bauherren sind wie Kinder. Man darf sie nicht ernst nehmen", notierte Ludwig Mies van der Rohe in sein Tagebuch, "harte Bauherren sorgen für die besten Bauten", sagt Thom Mayne.
Was aber, wenn der Architekt selbst der Bauherr ist, der Bauherr sein eigener Architekt? Kann der dann - endlich einmal! - entwerfen und bauen, wie er will, nach seinen privaten Bedürfnissen und ästhetischen Ansprüchen? Kann er die Konflikte in sich selbst austragen, oder fehlt ihm der Widerpart, der seine Experimentierlust herausfordert? Wie auch immer, das Haus, das der Architekt für sich baut, wird als Abbild seiner Persönlichkeit verstanden. "Per lasciare memoria di sé", um ein Andenken an sich selbst zu hinterlassen, habe sich, so Giorgio Vasari über Raffael, der Malerarchitekt in Rom einen Palazzo im Borgo Nuovo errichtet. Das Haus als "anderes" Selbstbildnis.
Beispiel Egon Eiermann (1904 bis 1970). Der bedeutendste und meistbewunderte Architekt der jungen Bundesrepublik kam erst spät dazu, die Aufgabe, die er jedem seiner Studenten stellte, anzugehen: 1959 erwarb er in Baden-Baden das Areal dafür, nachdem er im Jahr zuvor schon Pläne für ein Grundstück am Fasanengarten in Karlsruhe skizziert, doch sie wegen der Nähe zur Technischen Hochschule, an der er seit 1947 lehrte, wieder verworfen hatte. In der vierzig Kilometer entfernten Kurstadt war damals die Villa Hardenberg im Bau, das bis dahin einzige Einfamilienhaus, das er seit Kriegsende realisierte. Im Frühwerk dominierte diese Bauaufgabe aus guten Gründen: Auf seiner Gratwanderung zwischen Distanzierung und Anpassung blieben Eiermann zwischen 1933 und 1945 öffentliche Großaufträge verwehrt, noch für das im Krieg errichtete Haus Vollberg im Berliner Grunewald hatte er, da es von der Straße nicht einsehbar war, an einem avantgardistisch gruppierten Gebäude festgehalten.
Ein einfaches Haus wollte sich Eiermann bauen, doch schon die Hanglage stand dem entgegen. "Entstanden ist", so befand Brigitte Eiermann, die zweite Frau und Schülerin des Architekten, 1963, kein Jahr nach dem Einzug, "ein höchst differenziertes und sehr kostbares Gebäude": Zwei Baukörper, "Haus und Nebenhaus", die im rechten Winkel stehen, der eine langgestreckt, in Schottenbauweise unter flach geneigtem Dach, der andere, jenen abschirmend, mit halboffener Doppelgarage, Gästewohnung und Atelier, beide mit Umgangsfassade und dunkelanthrazit geschlämmten Wandflächen, von denen sich die Fensterelemente in rötlich leuchtendem Kiefernholz, die weißen Gestänge, die daran befestigten Sonnensegel und die Untersichten der Dachüberstände abheben.
Wie ausgefeilt und komplex Eiermann eine "grandiose künstlerische Inszenierung mit geradezu manieristisch überspitzten Einfällen" geschaffen hat, das beschreibt und erklärt Gerhard Kabierske mit einer Detailgenauigkeit, die der Architektur entspricht und von den Schwarz-Weiß-Fotografien Horstheinz Neuendorffs, den der Architekt mit der Bilddokumentation seiner Arbeiten beauftragte, unterlegt wird. Der Planungsprozess des Projekts wird nachverfolgt, vor allem aber aufgezeigt, was es zu einem "individuellen Gesamtkunstwerk mit vielen Konnotationen" macht: Struktur, Materialität und Farbgebung, Garten, Innenausbau und die selbst entworfenen Möbel, die Kontraste zwischen innen und außen, Offenheit und Geschlossenheit, Licht und Schatten, Verbergen und Zeigen, die "latente Affinität mit japanischer Baukunst". Auch die Veränderungen und Eingriffe, die spätere Eigentümer an dem 1999 ins Denkmalbuch eingetragenen Haus vornahmen, werden erörtert.
So entsteht ein Porträt des Architekten. Auch im Hörsaal war Egon Eiermann ein Star, der mit seiner Lockerheit, bohemienhaften Eleganz und Selbstironie begeisterte; sein Genie, seine Kreativität und sein Feingefühl spiegelt das Haus wider. Der Schriftsteller Curzio Malaparte sagte einmal über die Villa, die er sich, assistiert von dem Architekten Adalberto Libera, auf Capri baute: "Una casa come me" - "Ein Haus wie ich." ANDREAS ROSSMANN
Gerhard Kabierske: "Egon Eiermann - Haus Eiermann".
Mit Fotografien von
Horstheinz Neuendorff. Deutsch/Englisch. Edition Axel Menges, Stuttgart/London 2023. 72 S., Abb., geb.
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