Henri, Simone und Frida werden auf einer Kreuzfahrt von Erinnerungen überwältigt - packende Familiengeschichte
Simone und Henri sind mit der "Astoria" auf einer Kreuzfahrt unterwegs. Das Schiff ist ihnen gut bekannt. Vor langer Zeit waren sie selbst Teil seiner Mannschaft, damals gehörte es als "Völkerfreundschaft" noch der DDR. Auf dem Schiff hat sich das Paar kennengelernt. Während der Fahrt kommen Erinnerungen an frühere Erlebnisse hoch. Auch Frida, auf die Henri und Simone während ihrer Urlaubsfahrt treffen, hat ein besonderes Verhältnis zu dem Schiff, das sie noch als "Stockholm" kennt. Zu Henris Leidwesen schließt sich noch die unbedarfte Elli, die Henri zunächst ziemlich auf die Nerven geht, der Reisegesellschaft an. Auch sie nimmt aus einem ganz bestimmten Grund an der Kreuzfahrt teil.... In der dritten Person erzählt Autorin Kathi Naumann, was aktuell auf der Urlaubsreise von Henri, Simone, Frida und Elli passiert. Rückblenden schildern frühere Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Kreuzfahrtschiff. Der Schreibstil der Autorin liest sich leicht und flüssig. Henri wirkt auf den ersten Blick etwas harsch und unnahbar. Nach und nach wird aber klar und nachvollziehbar, was eigentlich hinter seinem Verhalten steckt. Henri wurde stark von seiner Großmutter Dora und deren Liebe zum Meer geprägt, die ich ebenso wie die ruhige Frida als sehr angenehmen Charakter empfand. Simone, die einst als Stewardess arbeitete, zeigt sich anderen gegenüber viel offener als ihr Ehemann. Ihrer unkomplizierten Art ist es zu verdanken, dass sie und Henri intensiveren Kontakt zu Frida knüpfen. Die gemeinsamen Erinnerungen schweißen zusammen. Bald schon stößt Elli zu den dreien. Sie scheint etwas naiv. Bisher ahnt niemand, dass Elli ein brisantes Geheimnis verbirgt.Spannend, wie nach und nach offensichtlich wird, welchen persönlichen Bezug die Hauptfiguren zu dem Schiff haben. Ich habe gerne verfolgt, wie sich Seite für Seite eine zarte Freundschaft zwischen den Figuren entwickelt.Kathi Naumann lässt in "Fernwehland" Geschichte(n) lebendig werden. Nicht nur die bewegte Historie des real existierenden berühmten Kreuzfahrtschiffs "Astoria" beleuchtet sie näher, auch die Geschichte einer besonderen Reise erzählt sie. Zudem wird Henris und Simones mitreißende Familiengeschichte dargestellt: Wie sie in der DDR aufwachsen, zunehmend von Fernweh geplagt werden und nur sehr begrenzte Möglichkeiten haben, ihren Sehnsüchten nachgeben zu können. Nicht alle Träume können in einer Diktatur wahr werden. Die Zustände in der DDR werden im Roman anschaulich dargelegt. Dabei habe ich noch einiges Neue erfahren. Fridas Schicksal, das die Leser teils nach Schweden führt, hat mich berührt. Am Ende platzt eine Bombe, was für mich allerdings nicht völlig überraschend kam.Insgesamt ein kurzweiliger, interessanter und fesselnder Roman über die Reise(n) des Lebens, den ich gerne gelesen habe.