Wenn ich nervös bin, werde ich manchmal übermäßig, ja, sogar unangemessen geschwätzig. Ich komme vom Thema ab. Ich sage, was mir in den Sinn kommt, ich nehme alles zu wörtlich, ich bemühe mich zu sehr um Genauigkeit, obwohl die außer mir niemandem wichtig ist [...] Seite 101
Ich bin mit hohen Erwartungen an Vorsehung von Liane Moriarty herangegangen. Die Idee klang originell und spannend: Eine Gruppe völlig unterschiedlicher Menschen sitzt in einem Flugzeug, begegnet einer Hellseherin und erhält jeweils eine Voraussage über ihren letzten Moment. Allein das hat mich sofort neugierig gemacht. Doch je weiter ich las, desto mehr wich meine Vorfreude einer zunehmenden Enttäuschung und am Ende war ich ehrlich gesagt fast wütend, wie sehr mich dieses Buch genervt hat.
Der Einstieg war für mich schon holprig. Die Sprache wirkt anfangs in manchen Momenten sperrig, teils unfertig oder unnatürlich formuliert, ich bin regelrecht über einige Sätze gestolpert. Stilistisch wurde es im Verlauf ein wenig runder. Anfangs dachte ich zwar dieser ungewöhnliche Ton sei ein cleverer Kniff, um die Atmosphäre des Zufalls (Butterfly-Effect) und der Vorsehung einzufangen, aber dieser Eindruck verpuffte schnell. Stattdessen driftet der Stil immer mehr ins bedeutungsschwangere Geplänkel ab, das sich bemüht tiefgründig anfühlt, in Wahrheit aber einfach nur ermüdend ist.
Ein weiteres Problem war für mich die Erzählstruktur. Die Geschichte springt zwischen verschiedenen Passagieren hin und her, was an sich kein Nachteil wäre, wenn man den Überblick behält oder die Figuren schnell ins Herz schließen könnte. Aber beides ist für mich nicht passiert. Es fehlte an Klarheit, zum Beispiel durch einfache Kapitelüberschriften mit Namen. Manchmal wusste ich erst nach mehreren Sätzen, bei wem ich eigentlich gerade gelandet war und das störte den Lesefluss erheblich. Die meisten Figuren blieben mir zudem eher fremd. Einige Reaktionen und Entscheidungen wirkten seltsam, überzogen oder einfach nicht nachvollziehbar. Es gab wenige Charaktere, bei denen ich mitfühlen konnte und das macht es schwer, emotional einzutauchen.
Und dann ist da Cherry die Hellseherin. Leider war sie für mich das größte Ärgernis im ganzen Buch. Ihre schrullige, altkluge Art hat mich von Anfang an genervt und frustriert. Ich konnte mit ihrer Figur schlicht nichts anfangen. Statt geheimnisvoll oder faszinierend fand ich sie unangenehm aufdringlich, ihre Lebensgeschichte unspannend und ihre Monologe schlicht überflüssig. Ich hatte permanent das Gefühl, sie würde sich selbst beim Philosophieren zuhören und dabei vergessen, dass sie den Leser mitnimmt. Ihre Kapitel wirkten auf mich wie unnötige Einschübe, die dem Buch die Luft zum Atmen nahmen. Ehrlich, mir hätte sie als mysteriöse Nebenfigur völlig gereicht, aber stattdessen wird sie zum zentralen Element aufgebläht, was der gesamten Geschichte eher schadet als hilft.
Dabei gibt es durchaus kurze Momente, in denen das Buch aufblitzt, etwa wenn einzelne Figuren ihre Vorhersagen erhalten und man gespannt beobachtet, wie sie damit umgehen. Diese Abschnitte sind interessant, manchmal sogar bewegend. Aber sie bleiben rar. Viel zu oft verliert sich die Handlung in langatmigen Rückblenden, Nebensächlichkeiten und sinnfreien Gedankenschleifen. Es passiert wenig und wenn mal etwas Relevantes geschieht, wird das beiläufig und ohne emotionale Wirkung erzählt. Insgesamt hatte ich oft das Gefühl, dass hier viel geredet wird, ohne dass wirklich etwas gesagt wird.
Und das Ende? Für mich der Tiefpunkt. Nach über 500 Seiten hatte ich gehofft, dass wenigstens ein starker Schluss kommt, ein Aha-Moment, der mich für die Mühe belohnt, aber auch das blieb aus. Das Ende war vorhersehbar, banal, und hat mir letztlich bestätigt, was ich als Madame Laura schon lange, lange vorher befürchtet hatte: Dass diese Geschichte kein klares Ziel hat, keinen nachhaltigen Eindruck hinterlässt und mich emotional völlig kalt lässt.
(Spoilerfrei) Fazit: Vorsehung ist für mich ein Paradebeispiel dafür, wie man eine spannende Grundidee mit einer zähen, überladenen Umsetzung verschenken kann. Die Figuren sind mir fremd geblieben, die Sprache hat mich nicht abgeholt, Cherry war für mich eine echte Zumutung und die Handlung hat sich eher in die Länge gezogen als entwickelt. Zwischen all dem Geplapper fehlte mir sowohl Tiefe als auch Spannung. Ja, ein paar Stellen waren ganz nett, und einzelne Perspektiven ließen sich gut wegschmökern, aber insgesamt habe ich mich immer wieder gefragt, ob es wirklich über 500 Seiten braucht, um zu zeigen, dass [.langweilt euch einfach selbst!....]
Ich vergebe zwei Sterne, einen für die gute Ausgangsidee, einen weiteren für ein paar gelungene Passagen zwischendurch, aber das wars auch. Für mich leider ein Flop.
Vielleicht funktioniert das Ganze als Film besser. Als Buch hat es mich einfach nicht überzeugt.