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Wuhan

Dokumentarroman

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»Wir müssen uns die Heimat mit der Seele zurück erkämpfen.« Liao Yiwu

Gleich nach dem Ausbruch des Corona-Virus reist der Bürgerjournalist Li in das Epizentrum der Katastrophe. »Weil er keine Angst vor Gespenstern hat«, so die Stellenanzeige, findet er einen Job im Krematorium. Schnell begreift er, dass die offiziellen Opferzahlen nicht stimmen. Doch der kurze Augenblick, in dem er glaubt, die Wahrheit sagen zu dürfen, vergeht über Nacht: Er wird entdeckt, verfolgt und dokumentiert im Internet live, wie er brutal verhaftet wird.

In diesem bestürzend aktuellen Dokumentarroman »Wuhan« führt uns Liao Yiwu in das Herz der ungelösten Fragen und erzählt die spannende Recherche der Hintergründe einer gewaltigen Vertuschung. Woher stammt das Virus und was geschah in Wuhan? Protokolle verschwinden, und neue Lügen zementieren die Geschichte vom heroischen Sieg der Partei - Propaganda, die die Menschen vergiftet wie das Virus.

»Liao Yiwu ist der wohl vielseitigste Chronist des zeitgenössischen Chinas.«
Der Tagesspiegel

Produktdetails

Erscheinungsdatum
26. Januar 2022
Sprache
deutsch
Auflage
4. Auflage
Seitenanzahl
352
Autor/Autorin
Liao Yiwu
Übersetzung
Hans Peter Hoffmann, Brigitte Höhenrieder
Verlag/Hersteller
Originalsprache
chinesisch
Produktart
gebunden
Gewicht
462 g
Größe (L/B/H)
206/130/33 mm
ISBN
9783103971057

Portrait

Liao Yiwu

Liao Yiwu, geboren 1958 in der Provinz Sichuan, wuchs als Kind in großer Armut auf. 1989 verfasste er das Gedicht »Massaker«, wofür er vier Jahre inhaftiert und schwer misshandelt wurde. 2007 wurde Liao Yiwu vom Unabhängigen Chinesischen PEN-Zentrum mit dem Preis »Freiheit zum Schreiben« ausgezeichnet, dessen Verleihung in letzter Minute verhindert wurde. 2009 erschien sein Buch »Fräulein Hallo und der Bauernkaiser«. 2011, als »Für ein Lied und hundert Lieder« in Deutschland erschien, gelang es Liao Yiwu, China zu verlassen. Seit seiner Ausreise nach Deutschland erschienen die Titel »Die Kugel und das Opium« (2012), »Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch« (2013), »Gott ist rot« (2014), »Drei wertlose Vita und ein toter Reisepass« (2018), »Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand« (2019) sowie der Roman »Die Wiedergeburt der Ameisen« (2016). Zuletzt erschien 2022 sein Dokumentarroman »Wuhan«. Für sein Werk wurde er mit dem Geschwister-Scholl-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Liao Yiwu lebt in Berlin.

Hans Peter Hoffmann, Professor für Sinologie, freier Autor und Übersetzer, lehrt und schreibt in Tübingen und Taipeh.


Pressestimmen

Unterfüttert mit Zitaten aus Videos, Blogs und wissenschaftlichen Zeitschriften, bietet dieser "Dokumentarroman" einen atemberaubenden Einblick in eine wenig bekannte Gesellschaft im Moment höchster Krise. Kristin Breitenfellner, Falter

Es ist engagierte Literatur im besten Sinne. Fokke Joel, taz

Schon in seinem Ton wird die Kraft dieses Autors gegenwärtig, der keinem Schmerz und keinem Schrecken ausweicht und dabei noch Sinn für Situationskomik und ein frappierendes Zartgefühl entwickelt. Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Liao Yiwu sammelt Chat- und Blog-Einträge, dokumentiert Angst und Wut - und zeichnet ein bestürzendes Bild der chinesischen Gegenwart. ZEIT Literatur

Liao Yiwu, (...) macht sich so auf listige Weise die großen Ohren und die scharfen Linsen der totalitären Macht zunutze.(...) Er schafft Erinnerungstafeln für Helden des Alltags Tilman Spengler, Süddeutsche Zeitung

Liao Yiwu, (...) macht sich so auf listige Weise die großen Ohren und die scharfen Linsen der totalitären Macht zunutze.(...) Er schafft Erinnerungstafeln für Helden des Alltags Tilman Spengler, Presseresonanzliste

Yiwu verbindet in Wuhan sehr geschickt fiktionale Elemente mit realen Ereignissen, eigene Gedanken und Gedichte mit verschiedenen Original-Stimmen. Ulrike Frick, Münchner Merkur

Liao Yiwu nimmt kein Blatt vor den Mund und hinterlässt tiefgreifende Eindrücke über das Leben in seiner Heimat. Vanda Dürring, Radio SRF 2 Kultur

Wuhan , ein überbordendes, packendes, wildes Dokument des Geschehens, liest sich wie die Gegenerzählung zum öffentlichen Narrativ Chinas. Cornelia Zetzsche, SWR 2

Man spürt, hier hat einer mit heißer Nadel und Wut im Bauch gestrickt. Michael Wurmitzer, Der Standard

Mit dem grandiosen Dokumentarroman Wuhan begehrt der 63-jährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels erneut gegen das Vergessen auf. Sabine Reithmaier, Süddeutsche Zeitung

Er verbindet Fiktion und Fakten elegant und so einleuchtend, dass sich Leserinnen und Leser problemlos zurechtfinden werden. Katja Eßbach, NDR Kultur

Vor allem aber ist Wuhan ein Schelmenroman voller Galgenhumor. Und der Zorn des Autors über die Politik von Papa Xi (und die Willfährigkeit Europas) entzündet diesen Witz nur noch mehr. Anne-Catherine Simon, Die Presse

Ai Dings Odyssee ist auch ein grotesker Schelmenroman, der die Absurdität des Systems von unten zeigt. René Zipperlen, Badische Zeitung

Liao Yiwu hat einen brillanten Roman über Wuhan geschrieben. (...) Das Buch ist bestürzend, sarkastisch, manchmal urkomisch, dann wieder deprimierend, vor allem auf fantastische Weise realistisch. Thomas E. Schmidt, Die Zeit

unfassbar stark und emotional Markus Foppe, Radio Bremen

Liao Yiwu hat eine bedrückende und aufregende Montage aus realen und fiktiven Elementen verfasst, Dokumentarroman nennt sich diese Spurensuche. Stefan Berkholz, SR2

eine bedrückende und aufregende Spurensuche Stefan Berkholz, WDR 3

nicht nur spannend wie ein Politthriller (...) von schelmenhafter Komik.(...) hervorragend Katharina Borchardt, Neue Zürcher Zeitung

Besprechung vom 24.03.2022

Chinesischer Traum

Liao Yiwu mischt Erzählung, Dokumentation und Spekulation, um dem pandemischen Verhängnis von Wuhan auf die Spur zu kommen.

Seit mehr als zehn Jahren lebt der chinesische Schriftsteller Liao Yiwu nun schon im Berliner Exil. Seine literarische Stimme ist so unverwechselbar sarkastisch, wütend, traurig, witzig und zärtlich zugleich geblieben wie in seinen großen Werken über den "Bodensatz der chinesischen Gesellschaft", die ihm unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels eingetragen haben. In seinem jüngsten Buch, ausgewiesen als "Dokumentarroman", versucht ein Geschichtsdozent namens Ai Ding, der gerade einen Gastaufenthalt in Berlin hinter sich hat, zu Beginn der Corona-Seuche in seine Heimatstadt zurückzukehren, wo Frau und Kind auf ihn warten: Wuhan. Doch diese Stadt ist, nachdem die Behörden die Verbreitung des Virus dort zuerst vertuscht hatten, nun komplett abgeriegelt, und die Heimreise entwickelt sich zu einer wochenlangen Irrfahrt mit immer surrealeren Zügen.

Einmal sieht sich Ai Ding schon fast am Ziel, als ihn die Polizei mit einem Passierschein und einem Motorrad nebst Fahrer aus der Quarantäne entlässt. Auf dem Weg zum Bahnhof, von wo aus dann der Zug nach Wuhan fahren soll, singt der Chauffeur auf dem Motorrad, hochzufrieden mit dem Wucherpreis für die Fahrt, voll Inbrunst in seinem Heimatdialekt alte Revolutionslieder ("Bruder Aff' wird Rotarmist, Rotarmisten woll'n ihn nicht . . ."), und als kurz vor Changsha, wo der junge Mao im Fluss geschwommen haben soll, eine "in allen Farben des Regenbogens irisierende Wolke" über ihnen erscheint, gerät er ganz aus dem Häuschen: "Wahnsinn! Ein ziemlich dicker Packen 100 Yuan-Scheine da am Himmel! Es ist schon so, Vater und Mutter sind einem nicht so teuer wie der Kopf des Vorsitzenden Mao mitten drauf auf den Geldscheinen . . ." Doch von einem Moment zum anderen wird er plötzlich stocksteif, das Motorrad beginnt zu schlingern, der mitfahrende Geschichtsdozent kann es gerade noch in seine Gewalt bringen. Der Chauffeur aber röchelt nur noch, und ein paar Sekunden später ist er tot. So lässt das Virus eine burleske, mit geschichtlichen Assoziationen gespickte Alltagsszene, wie nur Liao Yiwu sie schildern kann, unvermittelt ins Absurde abkippen: Die brutal illusionslose Perspektive von unten, in der maoistische Folklore mit dem nur allzu kapitalistischen Überlebenskampf der real existierenden chinesischen Proletarier vermengt ist, erfährt durch die Epidemie eine weitere Zuspitzung.

Doch Liao bleibt in seinem neuen Buch nicht bei dieser fiktiven Handlung, er bettet sie vielmehr in ein Kaleidoskop aus Internetfundstücken, Nachrichten, Mutmaßungen und Polemiken rund um die erste Phase der Seuche ein. Das Bindeglied stellen vor allem die Videotelefonate zwischen dem Protagonisten Ai Ding und seinem Freund in Berlin, dem Schriftsteller Zhuang Zigui, her, in dem man nicht nur seines "Glatzkopfs" wegen Züge des Autors selbst erkennen kann. Zhuang ist ein eifriger Rechercheur im Internet, und so sind seine Funde die ständigen Gegenstände ihrer Gespräche. Immer wieder geht es darum, ob das Virus womöglich dem Forschungslabor P4 in Wuhan entsprungen sein könnte - deutet nicht schon die eingangs nacherzählte Episode der Verhaftung des Bürgerjournalisten Kcriss ganz in der Nähe dieses Instituts darauf hin? - oder ob es gar Teil einer "Unrestricted War"-Strategie Chinas sein könnte. Nicht, dass sich der Autor oder auch nur eine seiner Figuren solche Spekulationen zu eigen machten, immer wieder werden auch Gegenargumente genannt, doch weder der Autor noch die beiden Hauptpersonen lassen einen Zweifel daran, dass sie die Kommunistische Partei selbst schon für das Verhängnis des Landes halten.

Auch viele den sozialen Medien entnommene Szenen von verlassenen und im Elend am Virus verendenden Menschen tragen zu der zwischen Groteske und Apokalypse schwankenden Grundstimmung bei. Doch oft wirkt der Versuch, Informationen, Meinungen und Gerüchte in die Handlung zu verweben, unbeholfen. Das liegt nicht nur an der hölzernen Nachrichtensprache, die inmitten des sonst so respektlos anarchischen Tons Liaos wie ein Fremdkörper erscheint. Es liegt auch an der didaktischen Bemühtheit, mit der eine Hintergrundinformation nach der nächsten den Protagonisten in den Mund gelegt wird, etwa wenn "in einem weiteren ihrer Online-Gespräche Zhuang Zigui Ai Ding" erzählte, "dass die Staatsoberhäupter von Europa und Amerika, ganz im Sinne von Chefredakteur Hu, zunächst durchaus optimistisch und gegenüber China voll guten Willens gewesen seien". In solchen Momenten scheinen die Figuren nicht mehr aus sich heraus zu leben, sondern nur Nachrichten und Ideen zu illustrieren. Die Zwitterhaftigkeit bekommt dann auch der inhaltlichen Auseinandersetzung nicht gut. Argumentationen werden da nicht durchgehalten, sondern nur angerissen, suggeriert; als Rollenprosa heben sie sich im Zweifel gegenseitig auf.

Wo er erzählt, ist Liao Yiwu dagegen so markant wie eh und je. Schon in seinem Ton wird die Kraft dieses Autors gegenwärtig, der keinem Schmerz und keinem Schrecken ausweicht und dabei noch Sinn für Situationskomik und ein frappierendes Zartgefühl entwickelt. Einmal gibt er diese Gestalt auch direkt zu erkennen, als sein Alter Ego im Roman den verzweifelten Freund in China übers Internet mit seinem Flötenspiel tröstet und ihm Ratschläge fürs Trinken hochprozentiger Getränke gibt: "Beim Trinken geht es nicht darum, sich zu betäuben, sondern seine Gefühle auf die Reihe zu bekommen." Für seine Literatur gilt womöglich Ähnliches. MARK SIEMONS

Liao Yiwu: "Wuhan".

Dokumentarroman.

Aus dem Chinesischen

von Brigitte Höhenrieder und Hans Peter Hoffmann.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2022. 352 S.,

geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon mapefue am 03.09.2023
In diesem sogenannten "Dokumentarroman" schildert Yiwu den Beginn der Corona Pandemie in Wuhan. Als Vorspiel durchschaut ein Journalist die Vertuschung der vielen Corona-Toten durch den Staat. Zentral die Geschichte des fiktiven Historikers Ai Ding, das Alter Ego Yiwus, der aus Berlin kommend zu seiner Familie nach Wuhan kommen möchte. Doch Wuhan und weitere chinesische Großstädte wurden zur Pandemiebekämpfung abgeriegelt. Er versucht in die Stadt einzureisen und schildert seine Erfahrungen und Beobachtungen. Mir offenbart sich eine echte satirische "reality show".Informativ dagegen das Kapitel "Wissenschaftler gegen ¿Verschwörungstheorien' ". Der "Dokumentarroman" ist vorbildlich in 14 Kapitel gegliedert, mit einem Epilog, und in informativen "Anmerkungen der Übersetzer" im Anhang.Das Buch scheint eine Bestätigung der totalen Überwachung der chinesischen Bevölkerung und der Ausweitung der Sicherheitsgesetze unter dem Vorwand der Eindämmung der Pandemie zu sein. 
LovelyBooks-BewertungVon Lrvtcb am 20.07.2022
Nun bin ich selbst Mitte 2022 mit Corona infiziert, sitze Zuhause in Quarantäne und finde daher auch Zeit "Wuhan" zu lesen. In Erwartung, einen Kumpanen für die Isolationszeit in der Hand zu haben, lesen sich die ersten Seiten noch recht zäh. Doch dann lässt einen die Odyssee des Protagonisten nicht mehr los. Das Ziel ist das Epizentrum Wuhan, um Frau und Tochter in der schweren Zeit, natürlich während des Ausbruches von Corona, beizustehen. Doch der Weg ist weit. Nicht nur durch tausende von Kilometer, sondern - dem durchschnittlichen europäischen Leser - kaum bekannte Städte, Regionen und Traditionen eines sehr fernen Landes. Fern auch, weil man sich fragt, von welcher Pandemie hier die Rede ist. Während 2020 in Europa neben anfänglicher Masken- und Testnot, dann doch recht schnell der Sommerurlaub im eigenen Land und der Ton über Zoom zu den großen alltäglichen Problemen wurden, zeigt uns "Wuhan", was es wirklich heißt, in einer großen, totalitären Diktatur zu leben.Neben der Romanhandlung finden sich dokumentarische Abschnitte und Kapitel. Letztere arbeiten die Diskussion um den Ursprung des Virus auf und zeigen das Schicksal einzelner Blogger, die zu Beginn der Pandemie in Wuhan und zu ihrem Ursprung ihre eigene Recherche durchführten und dafür verhaftet wurden. Einige von ihnen bleiben bis heute "verschwunden".  Dieser hybride Ansatz führt dazu, dass Wahrheit und Fiktion verschwimmen und untrennbar ineinander übergehen. Und so drängt sich unverweigerlich "1984" als Vergleich auf: Statt sich vor Telebildschirmen zu verstecken, helfen nun VPNs, die Macht der Partei zu umgehen und anstatt eines Tagebuchs, sind es Beiträge in sozialen Medien, die für den aktiven Widerstand stehen. Die  totalitäre Diktatur China ist jedoch keine Fiktion, sondern Wahrheit. Insofern ist es wohl auch so, dass "1984" eben kein Corona hat, sondern China an "1984" leidet.