"Als junge Frau warf ich mich gegen alles - andere Körper, Städte, mich selbst - und rieb mich daran, konnte aber den Spuren, die ich auf den Dingen hinterließ oder diese Dinge auf mir, nie irgendeine Aussage entnehmen. Ich warf mich gegen mein Leben, als könnte es mir verraten, was ich tun musste, um keinen Schmerz mehr zu fühlen, so lange, bis ich innerlich grün und blau war. Das Weiche, das ich dabei hin und wieder fand, so klein und flüchtig es auch gewesen sein mochte, war kostbar. Gut möglich, dass es mir das Leben gerettet hat."
Melissa Febos hat im Vergleich zu den meisten "Durchschnittsfrauen" eine ungewöhnliche und teils heftige Lebensgeschichte (Drogen, Arbeit als Domina, ...) hinter sich. Diese hat sie in ihrem Buch "Girlhood" verarbeitet.
Gerade zu Anfang fand ich ihre Geschichte schwer zugänglich und etwas sperrig geschrieben. Doch nach und nach tauchten einige wirklich kluge feministische Gedanken auf, vor allem, was das Aufwachsen als Mädchen und Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft angeht:
"So unmöglich es mir damals schien, über den Schmerz und die Dunkelheit zu sprechen - ich glaube heute nicht mehr, dass ich etwas Außergewöhnliches erlebt habe. Für viele ist es eine dunklere Zeit, als wir uns eingestehen wollen. In diesen Jahren verinnerlichen wir immer mehr die Geschichte, die man uns erzählt, eine Geschichte über uns - was wir wert sind, was Schönheit bedeutet, was gefährlich ist und was normal. Nach und nach lernen wir, die Gefühle anderer, das Wohlergehen anderer, ihre Wahrnehmungen und ihre Macht über unsere eigenen zu stellen. Diese Konditionierung kann dazu führen, dass wir viele Aspekte unseres Selbst verbannen, dass wir anfangen, unseren Körper zu hassen und zu missbrauchen, dass wir versuchen, andere Mädchen zu kontrollieren und ein Leben lang Werten anhängen, die nicht in erster Linie unserer Unversehrtheit, unserem Glück, unserer Freiheit oder unserem Vergnügen dienen. Auch wenn meine Mädchenjahre mit die letzten waren, die noch nicht unter dem Einfluss des Internets standen, sind mir bei denen, die seitdem groß wurden und werden, viele derselben Herausforderungen begegnet."
"Bevor ich erfuhr, was man unter Schönheit verstand, hatte ich an meinem Körper nichts als Freude."
"Mädchen hatten nicht riesig zu sein. Sie hatten nicht stark und verschorft zu sein. Groß und stark, das wollte jedes Tier sein, aber wir wollten das unerklärlicherweise nicht.
Mensch zu sein bedeutete, dass die Weibchen anders als die der meisten Spezies ein prachtvolles Gefieder zu pflegen hatten. Wir wetteiferten darum, die Schwächste, Kleinste und Kindlichste zu sein. Wie es aussah, verwendeten wir all unsere Kraft darauf, uns klein zu machen, um den Männchen zu gefallen. Ziel war es, so weich und reinlich und zart wie möglich zu sein. Das ergab überhaupt keinen Sinn. Ich war es nicht gewohnt, mich kleinzumachen. Ich war weder reinlich noch zart."
"Diese extreme Werteumkehr - "groß und stark" wird vom Besten zum Schlechtesten - finde ich im Nachhinein schockierend. Männern stand offenbar die ganze Welt offen, sie schienen auf sämtliche wahrnehmbare Artenals überlegen zu gelten, aber uns hielt man davon ab, nach irgendeiner als männlich gelesenen Form von Dominanz zu streben. In irgendeiner Hinsicht als "männlich" beschrieben zu werden, war die schlimmste aller Beleidigungen."
"Mein Körper, wenn auch vom Wesen her unbeständig, ließ sich aushungern, verstecken und durch verlangen quasi neu konfigurieren - wenn ihm jemand schön fand, wurde er es."
"Stell dir nur mal diese Energievereudung vor!
Aber wahrscheinlich brauchst du das gar nicht, denn du weißt selbst, dass man sein Leben danach ausrichten kann, das Patriarchat zu bekämpfen, und trotzdem noch Anteile in sich hat, die der Überzeugung sind, der eigene Wert würde exakt mit der eigenen Attraktivität für Männer korrelieren. Es ist eine der Raison d'Êtres des Feminismus."
"Aber es ist das Zusammenspiel all dieser Faktoren, das die Macht des Patriarchats festig: eine elegante Maschinerie, deren Kolben sich still und leise in unserem eigenen Kopf bewegen und deren glänzendes Räderwerk wie irrtümlich für unseren eigenen Schmuck halten. "
"Wir wissen das, oder etwa nicht? Zumindest, wie häufig es zu sexuellen Übergriffen kommt - etwa eine von vier Frauen erleben Sie -, aber ich habe keinerlei Forschungsergebnisse darüber gefunden, wie oft wir ohne unser Einverständnis von Männern berührt werden, und zwar von klein auf: Man kneift uns in den Bauch oder in die Wange, drückt uns die Schulter oder legt uns eine Hand aufs Bein, ganz zu schweigen von missliebigen Umarmungen oder der Hand eines Fremden die in einer Bar unseren Rücken streift. Schon ein oberflächlicher Blick genügt, um sich nicht mehr zu wundern, warum eine Frau "sehr verwirrt" darüber sein kann, "wem ihr Körper eigentlich gehört".
Das Buch bietet einige interessante Denkanstöße, jedoch hätte ich mir noch andere Impulse gewünscht. Stellenweise war es mir etwas zu langatmig und ausschweifend geschrieben.
Es ist keine leichte Kost und sicher nicht für jeden zugänglich.
Insgesamt eine interessante Biografie, die mich literarisch jedoch nicht komplett überzeugen konnte.