Grossartige Inspiration
Bewertet in Deutschland am 23. Mai 2025
Es ist ein Kennenlernen mit Hindernissen. Als sich Nanette Blitz und John König 1951 auf einer Party in London begegnen, sind sie Anfang 20. John, der als Kind mit seinen Eltern aus Budapest nach London gekommen ist, verliebt sich Hals über Kopf in die junge Frau mit dem strahlenden Lächeln, die als einzige ihrer Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt hat und das erfährt er erst viel später eine Klassenkameradin von Anne Frank war. Aber er hat schon ein Ticket für seine Emigration nach Brasilien in der Tasche, denn in London will er nach dem Tod seiner beiden Eltern nicht mehr bleiben. Nicht nur deshalb ist es für ihn, der eher schüchtern ist, schwierig, Nanette näher zu kommen. Sie kann nach allem, was sie erlebt hat, (noch) nicht an ihr persönliches Glück glauben und will auf keinen Fall, dass John für sie seine Pläne ändert. Nur sechs Wochen bleiben ihnen, dann fährt er los. Das ist im September 1951. Danach schreiben sie sich mehr als eineinhalb Jahre regelmäßig
Diese Briefe (ca. 500 handgeschriebene Seiten) und ihre Geschichte haben sie Melissa Müller anvertraut, von der ich im Lauf der Jahre schon mehrere Biographien sehr gern gelesen habe (z.B. Das Mädchen Anne Frank). Entlang einer Auswahl dieser zuerst vorsichtigen, dann immer offeneren und warmherzigen, erfrischend selbstironischen und oft sehr witzigen Liebesbriefe erzählt die Autorin in einer wunderbar klaren Sprache die Geschichte der beiden sozusagen die Doppelbiographie einer Liebe; denn Kapitel für Kapitel entfalten sich zwischen den Briefen die Lebens- und Familiengeschichten dieser beiden jungen Menschen.
Wie John es schafft, mit seiner großen, von Anfang an unwiderruflichen Liebe Nanette, die immer wieder von ihrer Überlebensschuld eingeholt wird, Kraft und Vertrauen in ein gemeinsames Lebensglück zu geben, ist einfach schön. Dabei setzt die Autorin die persönlichen Schicksale ihrer beiden Protagonisten immer wieder in den historischen Kontext. Das macht das Buch zusätzlich so interessant. Vieles, was an den Handlungsorten in den Niederlanden, England, Ungarn, Deutschland und Brasilien geschah, wusste ich vorher nicht, an mehreren Stellen war ich tief erschüttert. Wie die Vor- und Rückblicke organisiert sind und immer wieder auf die Briefe Bezug nehmen, finde ich ziemlich außergewöhnlich.
Mit Dir steht die Welt nicht still liest sich wie ein Roman und man glaubt dem Buch doch jedes Wort. Ich habe gelacht und mehrmals mit den Tränen gekämpft. Ich werde das Buch meinen Freundinnen und Freunden schenken und empfehle es allen, die an die Liebe glauben, und erst recht all jenen, die manchmal damit hadern.