Besprechung vom 07.01.2025
Der kurze Erfolg der Republikaner
Der Historiker Moritz Fischer rekonstruiert die Geschichte der rechtspopulistischen Partei in den Achtzigerjahren. Das erinnert an die AfD.
Die Bundesrepublik war auf der Landkarte des europäischen Rechtspopulismus und -extremismus lange Zeit ein weißer Fleck. Während in fast all unseren Nachbarländern seit den Achtzigerjahren neue Parteien am rechten Rand entstanden und sich in den Parteiensystemen festsetzten - vom französischen Front National über die italienische Lega Nord bis hin zur niederländischen Partij voor de Vrijheid -, blieb das deutsche Parteiensystem von einer vergleichbaren Herausforderung verschont. Erst ab 2013 konnte sich mit der AfD eine rechtspopulistische und -extreme Kraft fest etablieren.
Warum das so spät erfolgte, ist auch im Nachhinein nicht leicht zu entschlüsseln. Versuche, solche Parteien neu zu formieren, hatte es nämlich seit den Achtzigerjahren auch hierzulande gegeben. Sie waren Teil der von Forschern so bezeichneten "dritten Welle" des Rechtsextremismus in Deutschland. Die erste Welle lag in der unmittelbaren Nachkriegszeit und Gründungsphase der Bundesrepublik. Die zweite Welle bescherte der 1964 gegründeten NPD ab 1966 eine Reihe von Landtagswahlerfolgen und 1969 den Fast-Einzug in den Bundestag. Dass beide Wellen rasch abebbten, lag vor allem an der CDU/CSU, die den rechten Rand erfolgreich reintegrieren konnte.
Die dritte Welle setzte in den Achtzigerjahren ein. Weil sie bis heute nicht abgerissen ist, sondern mit der AfD seit 2013 verstetigt wurde, erübrigt es sich eigentlich, noch von einer "Welle" zu sprechen. Genauso wenig Sinn ergibt es, zwischen einer dritten Welle bis 2013 und vierten Welle nach 2013 zu unterscheiden, da die Wahlerfolge, die die getrennt voneinander antretenden Rechts-außen-Parteien bis zu Beginn der 2010er-Jahre auf Länderebene im Westen wie im Osten erzielten, in den dauerhaften Erfolg der AfD mehr oder weniger nahtlos einmündeten.
Vorreiter der dritten Welle waren die 1983 in Bayern entstandenen "Republikaner". Ihre Geschichte hat der Aachener Zeithistoriker Moritz Fischer in einer quellengesättigten Studie jetzt erstmals umfassend aufgearbeitet. Bei den Republikanern handelte es sich nicht um eine reine Abspaltung von der CSU, wie es manchmal behauptet wird, auch wenn die Unzufriedenheit mit der seit 1982 in Bonn regierenden christlich-liberalen Koalition unter Helmut Kohl und deren CSU-Teil den Entstehungsanlass und -hintergrund bildete.
Die vom CSU-Bundesabgeordneten Franz Handlos angeführten Kritiker stießen sich insbesondere am uneingelösten Versprechen der "geistig-moralischen" Wende und dem Einschwenken ausgerechnet Franz Josef Strauß' auf die von Kohl verfolgte Kontinuitätslinie in der Deutschlandpolitik durch seine Einfädelung eines Milliardenkredits für die DDR. Neben Handlos bildeten Ekkehard Voigt, ein weiterer Bundestagsabgeordneter der CSU, und der frühere Fernsehjournalist Franz Schönhuber das Gründungstrio der Republikaner. Letzterer verdrängte Handlos nach innerparteilichen Richtungskämpfen zwei Jahre später von der Spitze der Partei und prägte deren Geschicke über fast ein Jahrzehnt.
Unter dem charismatisch wirkenden Schönhuber öffneten sich die Republikaner für einen völkisch-nationalistischen Kurs. Die Partei nahm damit fortan eine Brückenfunktion zwischen dem konservativen und rechtsextremen Lager ein, das sich unter dem aus Frankreich übernommenen Label der "Neuen Rechten" auch in der Bundesrepublik neu formierte. Es speiste sich zum einen aus geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Positionen, zum anderen aus einer "ethnopluralistischen" Neukonzeption des Rassismus, die auf den Wandel der europäischen Nationalstaaten zu faktischen Einwanderungsgesellschaften Bezug nahm.
Während Schönhuber aufgrund seiner eigenen Vergangenheit die erstgenannte Richtung personifizierte, verdankten die Republikaner ihren Durchbruch bei der Abgeordnetenhauswahl in West-Berlin und den Europawahlen 1989 primär dem Migrationsthema, ehe sie der Zusammenbruch des Sowjetkommunismus und die Wiedererlangung der deutschen Einheit ins Abseits stellten.
Im Zuge der ersten großen Asylkrise 1992/1993 konnte die Partei an ihr zentrales Thema noch einmal anknüpfen, doch blieb dies nicht mehr als ein "retardierendes" Moment, da es Union und SPD gemeinsam gelang, die Fluchtmigration durch eine Einschränkung des bis dahin unbegrenzten Asylrechts in den Griff zu kriegen. Die ausbleibenden Wahlerfolge führten dazu, dass Schönhuber sich weiter radikalisierte. Als der Vorsitzende seine Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit Gerhard Freys Deutscher Volksunion (DVU) erklärte, was die Republikaner bis dahin strikt abgelehnt hatten, verlor er in der Parteiführung den Rückhalt und wurde 1994 abgesetzt. Mit Schönhubers Abgang endete die kurze Erfolgsgeschichte der Partei, die in der Folge in der Bedeutungslosigkeit versank und deshalb aus dem politischen Gedächtnis des Landes weitgehend verschwunden ist.
Wenig überzeugend ist die Unterteilung der Geschichte der Republikaner in eine populistische Gründungsphase bis zur Übernahme des Vorsitzes durch Schönhuber 1985 und eine nationalistisch-rechtsextreme Phase danach. Dies verkennt, dass beide Zuordnungen auf unterschiedlichen Ebenen liegen, sich mithin nicht ausschließen. Der Autor rezipiert die Populismusforschung, die nicht erst mit Cas Mudde oder Jan-Werner Müller beginnt, leider nur unvollständig. Dass Charisma keine notwendige Bedingung des Populismus ist, sieht er richtig - der Vergleich von Schönhubers Republikanern mit der heutigen AfD demonstriert es eindrucksvoll.
Verblüffend ist, wie sehr die damaligen Diskussionen über den "richtigen" Umgang mit den Republikanern den heutigen Diskussionen über den Umgang mit der AfD ähneln. Sie betreffen vor allem die Unionsparteien, die zwar nicht die einzigen, aber doch die Hauptleidtragenden der Konkurrenz von rechts sind. Sollen sie mit strikter Abgrenzung reagieren oder versuchen, den Herausforderern ihre Themen wegzunehmen? Und ist es zweckmäßig, die repressiven Instrumente der wehrhaften Demokratie gegen den erstarkenden Rechtsextremismus einzusetzen? So wie die AfD heute wurden die Republikaner vom Verfassungsschutz beobachtet und ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei ins Gespräch gebracht. Auch bei der Frage nach den Ursachen der rechtsextremen Wahlerfolge sind die Parallelen von damals und heute augenfällig. Es ist mehr als lohnend, all das noch einmal nachzulesen.
Warum blieb den Republikanern die dauerhafte Etablierung versagt, die der AfD nach 2013 so durchschlagend gelungen ist? Der Autor weist hier zu Recht auf den Faktor "Organisation" hin. Anders als Schönhubers Partei hat es die AfD geschafft, die Zersplitterung des rechten Lagers in einer großen Sammlungsbewegung zu überwinden, neben der verbliebene rechtskonservative oder rechtsextreme Konkurrenten keine große Rolle mehr spielen. Was beide Parteien eint, ist ihre fortschreitende Radikalisierung. Von anfänglich liberal-konservativen Positionen haben sie sich in Richtung Extremismus sukzessive geöffnet - überwölbt durch den Populismus und ohne dass der Extremismus nennenswert abschreckend wirkte. Zwei markante Unterschiede entgehen dem Autor. Während die Republikaner an Zuspruch verloren, nachdem ihnen in den Neunzigerjahren ihr wichtigstes Mobilisierungsthema - die Asylpolitik - abhandengekommen war, kann die AfD darauf setzen, dass die Fluchtmigration ein dauerhaftes Problem bleiben wird. Zum anderen litten die Republikaner am mangelnden Zugang zu den Medien, die die Partei entweder ignorierten oder fast ausnahmslos kritisch über sie berichteten. Dass die heutigen Rechtspopulisten ihre potentiellen Unterstützer über die sozialen Netzwerke direkt adressieren und die traditionellen Medien damit umgehen können, ist dagegen ein kaum zu überschätzender Erfolgsfaktor.
Moritz Fischers imponierende und zudem glänzend geschriebene Studie zeigt, dass die Zeitgeschichte recht hat, die Parteienforschung nicht allein der Politikwissenschaft zu überlassen. Es wäre schön, wenn vergleichbare Arbeiten auch zu anderen deutschen Parteien vorlägen oder in Angriff genommen würden. FRANK DECKER
Moritz Fischer: Die Republikaner. Die Geschichte einer rechtsextremen Partei 1983-1994.
Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 616 S.
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