Besprechung vom 29.04.2021
Die Kirche hier heißt Dom
Der Kölner Dom ist immer eine Schau. Erst recht aus ungewöhnlicher Perspektive. Selbige haben der Kölner Autor Rainer Rudolph und der Fotoredakteur beim "Kölner Stadt-Anzeiger", Csaba Peter Rakoczy, gewählt. Wir schauen von der "Wilden Maus", einem Fahrgeschäft der Deutzer Kirmes, vorbei an den Ohren von Mickymaus auf die den violettblauen Abendhimmel ritzende Turmsilhouette. Lümmeln uns im Strandkorb eines Beachclubs, die Füße im Sand, die Augen auf den Dom gerichtet. Erspähen die neogotischen Turmspitzen zwischen den Streben eines im Kölner Brückengrün gestrichenen Pylons der Severinsbrücke, der den Dom wie das Gewand einer mittelalterlichen Schutzmadonna ummantelt. Im Advent sucht sich der Blick den Weg durch den Tannenwald des Weihnachtsmarkts. Im Sommer springt eine Tanzgruppe ins Bild und dabei fast so hoch wie die Domspitzen. Auch im Dom gibt es einiges Überraschendes zu sehen - und zu erfahren. Etwa über die drei Könige auf dem Dreikönigenaltar in der Achskapelle, die vor der Ankunft ihrer Gebeine am 23. Juli 1164 in Köln am vorhergehenden Aufenthaltsort Mailand nur mäßig bekannt waren. Oder das Standbild des 1469 verstorbenen Dombaumeisters Konrad Kuyn, der die Muttergottes anbetet. Es geht hinauf in den eisernen Dachstuhl, der an die Industriekathedralen des neunzehnten Jahrhunderts erinnert. Und hinab in die Schatzkammer, in der neben dem barocken Prachtornat des Kölner Erzbischofs Clemens August von Wittelsbach auch die jüngste Reliquie des Doms verwahrt wird: ein Stofflappen mit dem Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. Alles in allem sehr ungewohnt - und ebenso sympathisch.
ksi
"Der Kölner Dom" von Rainer Rudolph (Text) und Csaba Peter Rakoczy (Fotos). Regionalia Verlag, Daun 2020. 96 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden
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