In dieser Geschichte geht es um echte Herausforderungen, was das Verhalten der Helden anbelangt, und trotzdem kann man sie als ersten super spannenden Abenteuerroman vorlesen, noch bevor die Kinder selber lesen können. Das Buch ist erstmals 1958 erschienen, und ich denke, damals war von Wasserknappheit auf der Welt noch nicht die Rede. Aber gute Kinderbuchautoren haben immer auch etwas Visionäres, und Sebastian Lybeck hat sich mit diesem Titel als einer der besten qualifiziert. In der Geschichte geht es zunächst um ein scheinbar einfaches Problem: Es hat ewig lange nicht geregnet, die Erde ist komplett ausgetrocknet, sogar der See ist nur noch eine jämmerliche Pfütze. Rettung tut Not, und es gibt nur einen Weg: Jemand muss zum Nordwald, um von dort den magischen Wasserstein zu holen. Mittels dieses Zaubersteins kann man überall Wasser sprudeln lassen. Allerdings muss man, um dorthin zu gelangen, durch die Reiche des Wolfsvolkes, des Luchsvolkes und an den grausamen Soldaten des Bärenkönig Bantur vorbei. Wäre Latte Igel, der sich tatendurstig bereit erklärt, diese Reise zu unternehmen, nicht ein so herzensguter, freundlicher Kerl, dann wäre er sicher verloren gewesen, denn auch die Wölfe und Luchse gelten als sehr gefährlich, hinterhältig und gemein. Doch Latte hilft einer kleinen Hexe, und dafür schenkt sie ihm die Krähenfeder Winkelzunge, mit deren Hilfe man die Sprachen aller fremden Wälder sprechen kann. Und genau darum geht es: Nur wer mit den anderen reden kann, hat überhaupt eine Chance, ihre Freundschaft zu gewinnen. Aber erstens kommt es anders und zweitens ... Reden allein hilft manchmal trotzdem nicht, und Habgier kann durch noch so freundliche Angebote nicht so leicht befriedigt werden. Deshalb muss Latte mit seinem wirklichen Freund Tjum noch ganz andere Fähigkeiten einsetzen, um am Ende den Wunderstein dorthin zu bringen, wo er am dringendsten gebraucht wird. Das alles liest sich so, als ob es für die Kinder von heute geschrieben wäre, allerdings mit der Weisheit vergangener Generationen. Vielleicht waren die Probleme auf dieser Welt im Kern ja doch immer die Gleichen. Ja es scheint so, als hätte sich noch nicht einmal die Szenerie wesentlich verändert. Das kann auch Mut machen! Latte Igel hat es jedenfalls geschafft, dass am Ende wieder alle genug Wasser haben. Und der Autor hat eine todernste Geschichte so erzählt, dass schon kleine Kinder, ohne sich zu ängstigen, mit Latte zusammen das Abenteuer bestehen und ganz nebenbei schon mal in der Phantasie probeweise die Welt mit retten können. In dieser neuen Ausgabe hat übrigens der wunderbare Daniel Napp wieder mal seine Malutensilien ausgepackt und hinreißende Bilder gestaltet. Vielleicht hat er ja die Geschichte auch schon als kleiner Junge geliebt, oder er wollte mal wieder eine besondere Bärenfigur kreieren, zum Beispiel den Torwächter der Bären, dessen schläfrige Gedanken sich in einem merkwürdigen Traum verlieren ... (Rezension von Gabriele Hoffmann aus dem Libri-Fachkatalog Harry & Pooh 2008/2009)