Besprechung vom 11.06.2025
Hitlers fotografischer Schatten
Paradebeispiel für den Profit, der sich aus der Nähe zum Führer schlagen ließ: Sebastian Peters legt eine umfassende Biographie von Heinrich Hoffmann vor.
Es ist durchaus bemerkenswert, dass das Leben Heinrich Hoffmanns, der so etwas wie die Schaltzelle der fotografischen Propaganda im Dritten Reich darstellt, bisher nicht Gegenstand einer umfassenden Biographie wurde. Es gab zwar mehrere Arbeiten, vor allem von Rudolf Herz und Christina Irrgang, die sich vor allem auf sein Werk konzentrierten und auch den politischen Kontext in den Blick nahmen, aber seine Vita blieb bisher weitgehend unberücksichtigt. Diese Lücke hat nun der Historiker Sebastian Peters, Kurator für die Dokumentation Obersalzberg am Institut für Zeitgeschichte, eindrucksvoll geschlossen und auf über sechshundert Seiten das Leben eines Mannes rekonstruiert, der wenige Volten schlug, sich bereits 1920 der nationalsozialistischen Bewegung verschrieb und dieser auch bis zum Ende treu blieb.
Hoffmann war ein sogenannter "alter Kämpfer" mit niedriger NSDAP-Mitgliedsnummer, der bereits 1925 die Räume seiner Firma der Partei zur Verfügung stellte und früh zum engsten Kreis der Vertrauten Hitlers und dann später zu seinem "Hofstaat" auf dem Obersalzberg zählte. Auch die Bekanntschaft mit Eva Braun verdankte Hitler Hoffmann, da sie bei ihm angestellt war. Später sollte sie dann Hoffmann für private Aufnahmen, die er seinerseits vermarktete, fürstlich entlohnen. Das Prinzip eines solchen Handels zeichnete den Kreis um Hitler aus: Er war auch eine hemmungslose Profitgemeinschaft.
Heinrich Hoffmann ist hierfür ein Paradebeispiel, da er nicht zuletzt dank seiner privilegierten Position ein Vermögen von knapp sechs Millionen Reichsmark, einen breit gestreuten Immobilienbesitz und eine große Kunstsammlung anhäufen konnte. Erst die Nähe zu Hitler ermöglichte es Hoffmann, zahlreiche Porträts von ihm, aber auch Bilder aus seinem Alltagsleben anzufertigen, die dann mit dem Aufstieg der Partei zur politischen Propaganda genutzt wurden. Ihnen verdankte er seinen Erfolg.
Das Gros der seinerzeit zirkulierenden Porträts Hitlers stammt von Hoffmann, der sie zusammen mit seinem Sohn noch nach Kriegsende weiter vermarktete. Ohnehin hielt Hoffmann Hitler die Treue. Auch nach seiner Verurteilung als Hauptschuldiger distanzierte sich Hoffmann nicht von der Ideologie des Nationalsozialismus und gab vor, mit seinen Aufnahmen die Zeitgeschichte nur dokumentiert zu haben. Propagandistische Zwecke wies er zurück, er sei vor allem ein "unbeteiligter Beobachter in privilegierter Position" gewesen.
Das Argument einer vermeintlich politischen Neutralität dokumentarischer Fotografien verfing aber bereits damals nicht, und das umso weniger, als Hoffmann, wie Peters zeigt, offenkundig sein gesamtes Fotoimperium auf die nationalsozialistische Bewegung ausgerichtet hatte und daraus enormen Profit schlug. Diese war der alleinige Grund seines Erfolgs und bildete zugleich auch das primäre Motivrepertoire seines Bildimperiums.
Hoffmann war allenfalls ein mittelmäßiger Fotograf, der zwar behauptete, bei dem berühmten, in London ansässigen Emil Otto Hoppé gelernt zu haben, dessen Bilder ästhetisch aber eher einem durchschnittlichen Atelier für Porträtfotografie entsprachen, die es seinerzeit in Hülle und Fülle in München gab. Hoppés markante Bildsprache zwischen Piktorialismus und Moderne hat jedenfalls keine besonderen Spuren bei Hoffmann hinterlassen. Hoffmann war vor allem anderen, wie es seinerzeit hieß, "der Mann, der für uns den Führer sieht". Im Gleichschritt mit dem Aufstieg Hitlers machte er aus einem Fotoatelier und einem bescheidenen Verlag für Postkarten ein Bilderunternehmen, das bis Kriegsende in seiner Hand verblieb und rasch weitere Bereiche umfasste: eine Bildagentur, Buch- und Zeitschriftenverlage, die Zeitschrift "Kunst dem Volk", aber auch Beteiligungen an diversen anderen Bildverwertungen wie Briefmarken, Sammelbildern oder antikommunistischen Bildtafeln.
Hoffmann leitete eine "private Propagandawirtschaft", die die fotografische Bildpropaganda des Dritten Reichs versorgte und orchestrierte. Und er tat das im Einklang und in Abstimmung mit der Partei, die das offizielle Hitlerbild auch fotografisch modellierte. Das wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass Hitler, der zu Beginn keinerlei Porträts von sich duldete, sich bereits zu Beginn der Dreißigerjahre in den zahlreichen Büchern und Broschüren Hoffmanns als vermeintlich volksnaher Führer in Szene setzte. Hoffmanns "Hitler wie ihn keiner kennt", "Hitler über Deutschland" oder "Mit Hitler im Westen" erzielten dabei Auflagen von oft mehreren Hunderttausend Exemplaren; blieb ein Bestand übrig, so wurde er an staatliche Institutionen verkauft. Ohnehin prangten in allen öffentlichen Räumen von Hoffmann aufgenommene Führerporträts, für die er einzeln honoriert wurde.
Die propagandistisch-ideologische Verflechtung von Hoffmanns Bildindustrie war darüber hinaus auch eine biographische. Seine Tochter Henriette heiratete den Reichsjugendführer der NSDAP Baldur von Schirach, der wiederum zahlreiche Texte zu Hoffmanns Publikationen beitrug. Hoffmann war weiterhin, wie Peters rekonstruiert, nicht nur Hitlers Berater, als dieser begann, Kunst zu sammeln, sondern wurde von diesem auch mit der Federführung der "Großen Deutschen Kunstausstellung" betraut, die von 1937 bis 1944 im Münchner Haus der Kunst stattfand, und hatte auch Anteil an dem "Sonderauftrag Linz", dem geplanten Führermuseum. Reproduktionen der in den Ausstellungen gezeigten Werke wurden dann von Hoffmann als Postkarten vertrieben.
Heinrich Hoffmann war, wie Sebastian Peters materialreich vor Augen führt, ein verlässlicher Propagandadienstleister, der sein Unternehmen bereits 1929 "Nationalsozialistische Propagandaabteilung Hoffmann" nannte und sich selbst später "Reichsbildberichterstatter der NSDAP". Sein "Verlag nationalsozialistischer Bilder" lieferte millionenfach und in allen nur erdenklichen Formen Propagandamaterial. Will man die Funktionsweise der nationalsozialistischen Bildpolitik im Feld der Fotografie - und auch darüber hinaus - studieren, kommt man um Heinrich Hoffmann nicht herum. Überliefert und in weiten Teilen frei zugänglich sind fast 400.000 Aufnahmen. Diese und die zahlreichen Bücher und Broschüren, Bilder-, Postkarten- und Raumbildserien gilt es zu studieren, will man die fotografische Bildpolitik der NS-Zeit auch in ihren Verschiebungen und Veränderungen verstehen. Sie stehen nicht im Mittelpunkt der Biographie von Sebastian Peters, die eindrucksvoll und ungemein instruktiv das Leben Hoffmanns rekonstruiert, dabei aber auf eine detaillierte Interpretation der Bilder weitgehend verzichtet. Das Leben Hoffmanns ist erzählt, der Bilderberg bleibt noch zu erforschen. BERND STIEGLER
Sebastian Peters: "Hitlers Fotograf Heinrich Hoffmann". Eine Biografie.
Wallstein Verlag, Berlin 2025. 624 S., Abb., geb.
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