Ausharren, weglaufen, eingreifen? Oft stellt uns das Leben vor Entscheidungen, die wir uns nicht ausgesucht haben. Wie damit umgehen?
Mit solchen, gerne verdrängten Fragen beschäftigen sich die acht Erzählungen in Silvio Blatters neuem Buch Es ist sein Leben. Ein Titel, der bereits den Ton angibt: Letztendlich müssen wir selbst entscheiden, wie es mit uns weitergeht.
So steht in der titelgebenden Geschichte der 78-jährige Emil vor einem Dilemma. Egal, wie er sich entscheidet, es wird (k)einen guten Ausgang nehmen "was jetzt geschieht, wird sein Leben umstülpen". Noemi, die in Griechenland mit Freunden ihren Geburtstag feiern will und durch Waldbrände daran gehindert wird, trifft in "Asche auf dem Bett" eine Entscheidung, die sich endlich richtig anfühlt: "Müsste Noemi ihre Gefühlslage in einem Wort zusammenfassen, hieße dieses Wort Zuversicht." Und im Verwirrspiel "Glückliche Akustiker" steht Iris zwischen zwei Zwillingen, die in einer Doppelidentität leben: "Das Dreieck ist eine Figur mit Spitzen. Iris wünschte sich einen Kreis, dessen Mittelpunkt sie bildete."
Die Schicksale der Figuren regen uns an, präventiv die wichtigen Fragen des Lebens weiterzudenken, sie zwingen uns nicht dazu. Ein Angebot, das wir als Lesende annehmen oder ausschlagen können (ich habe es gerne angenommen!). Darin liegt die große Stärke des Autors: Seine Geschichten berühren, belasten nicht. Wie im Klappentext zu Recht angekündigt schildert Silvio Blatter "gekonnt leichtfüßig und tiefgründig zugleich", die Wendepunkte und einschneidenden Erlebnisse seiner männlichen und weiblichen Protagonisten.
"Die Liebe ist eine Kraft, die Blatters Sprache bestimmt. Die Zärtlichkeit legt sich in seine Bilder." Mit diesen Worten beschreibt sein Schriftstellerkollege Hansjörg Schneider den Sound von Blatters Texten, der all seine Bücher durchzieht. Seit ich 1983 den Roman "Zunehmendes Heimweh", des mir damals noch unbekannten Autors geschenkt bekam, lese ich genau aus diesem Grund Silvio Blatters Bücher besonders gerne.