FEMINISTISCHER ENDZEIT-WESTERN MIT VIEL INTERPRETATIONSSPIELRAUM...Was bleibt, als zu fliehen, wenn Kinder plötzlich allergisch auf Erwachsene reagieren, Eltern ihre Kinder vergessen, wenn Hunde ihre Herren anfallen und die Natur des Menschen überdrüssig ist? Pflegekraft Aria und Kollegin Marion retten fünfzehn Kinder aus der vom Untergang gezeichneten Stadt und versuchen die vielleicht letzten Wochen in einem ehemaligen Badehotel würdevoll zu bestehen. Doch den Bewohnern von Einstadt und den Cowboys rund um Imre Brandt sind sie ein Dorn im Auge. Als Aria ein Pferd am Strand entdeckt und darauf beharrt, es zu bergen, geht es plötzlich um alles. Die Feindseligkeit der Männer eskaliert, aber die Frauen finden Verbündete und geben nicht kampflos auf. (Verlagsbeschreibung)Widerspenstige Frauenfiguren stehen hier im Mittelpunkt des Geschehens. Sie sind es, die dem dystopischen Szenario zumindest etwas entgegenzusetzen versuchen. So zum Beispiel die Pflegekräfte Aria und Marion, die mit den ihnen anvertrauten Kindern aus der großen Stadt ans Meer flüchten und ihnen dort in einem heruntergekomenen ehemaligen Badehotel so etwas wie ein Zuhause bieten wollen. Oder auch Hayden, die gewitzte Schwester von Imre Brandt, dem Anführer der Cowboys, die das Geschehen des kleinen Ortes bestimmen. Diese unangepassten Frauen nehmen die Vormachtstellung der Männer nicht einfach so hin, sondern versuchen, eigene Wege zu gehen - und öffnen dabei den anderen Frauen im Ort allmählich die Augen."Sie fährt fünfzehn Kinder in eine Zukunft, die keine mehr ist." Das Ganze spielt in einem Endzeit-Szenario, ohne dass die Ursache dafür erläutert wird. Tiere wenden sich gegen ihre Besitzer, Eltern vergessen ihre Kinder und erkennen sie nicht mehr, Kinder reagieren allergisch auf Erwachsene, die Felder veröden, Bäume wirken ausgezehrt, Gewässer kippen um, die Hitze ist unerträglich... Während die Kinder im ehemaligen Badehotel allmählich etwas aufblühen und immer weniger medizinische Versorgung benötigen, verdüstert sich das Geschehen dort jedoch auch allmählich. Den Neuankömmlingen wird mit Misstrauen begegnet, am Strand taucht ein dünnes Pferd auf - niemand weiß, woher es kommt oder wie man es von dort wieder wegschaffen kann - und unter den steilen Klippen scheint etwas Unheilvolles verborgen zu sein. Ein wirrer Genremix erwartet den Leser / die Leserin hier, die düstere, unheilvolle Stimmung wird ausdrucksstark durch bildhafte Schilderungen sowie durch surreale Szenen unterstrichen, und gleichzeitg fehlt auch das satirische Augenzwinkern nicht. Gut gefallen haben mir der feministische Ansatz (ohne Keule) sowie die leisen gesellschaftskritischen Töne. Allerdings blieb mir hier vieles zu vage, in der Schwebe, offen, und der Interpretationsspielraum war letztlich riesig. Das beschäftigt das Hirn durchaus auch über das Lesen hinaus, aber mir persönlich wäre hier weniger doch lieber gewesen.Auch den dritten Roman von Stafanie vor Schulte habe ich fasziniert gelesen, bleibe aber mit dem etwas unbefriedigenden Gefühl zurück, nicht alles verstanden zu haben. Auf den nächsten Roman der Autorin freue ich mich jedoch schon!© Parden