"Braese begibt sich auf literarische Spurensuche und analysiert die öffentlichen Diskussionen über diese neue, von deutschen Traditionalisten meist nur mit 'Quäken, Jaulen und Grunzen' verbundene 'Tanzmusik'. ( ) Darüber hinaus ist das Buch auch eine wichtige Studie über die Gegenkultur zum offen zur Schau getragenen Rassismus in Nachkriegsdeutschland, der die frühen Diskussionen um den Jazz auf der Grundlage nationalsozialistischer Lehren noch erstaunlich lange prägte."
Rhein-Neckar-Zeitung, 20. 4. 2024
"Jazz war nach dem Zweiten Weltkrieg der Klang von Freiheit und sicher auch ein Symbol für den 'American Way of Life', für Demokratie und Modernität. Viele Schriftsteller haben darüber geschrieben, was der Jazz ihnen damals und überhaupt bedeutet.
Man sieht es am Jazz tatsächlich, wie stark die Nazi-Ideologie weiterwirkte. Man sprach da von 'Dschungel-Musik' und 'Urwald-Getröte' der Autor bringt da einige eklatante Beispiele. Kaum glaublich . . .
Literatur und Filme spielen eine große Rolle und zeigen, was der Jazz in der frühen BRD auslöste, z. B. Wolfgang Koeppens 'Tauben im Gras' oder Günter Grass' 'Die Blechtrommel'. Hochinteressant ist eine Debatte zwischen Joachim-Ernst Berendt, einem jungen Jazz-Enthusiasten, und Theodor W. Adorno Anfang der 1950er Jahre in der Zeitschrift 'Merkur'. Berendt war ein Propagandist des neuen Jazz, Adorno registrierte nicht, dass parallel schon der Bebop anfing, Jazz zur Kunstmusik zu machen. Genau das wollte Berendt Adorno klarmachen: dass etwas Neues beginnt."
Helmut Böttiger, DLF Kultur, 23. 5. 2024
"ein Buch über eine Kultur, die sich zwischen Untergrund und 'kommerziellen Verlockungen' (so die Formulierung in einem zeitgenössischen Jazzbuch) bewegte. Nicht nur Musik macht diese Kultur aus, sondern zu ihr gehören auch Literatur, Film, Fotografie, Zeitschriften, Kleidung und Habitus im weitesten Sinn. (. . .)
Wo bleibt das widerständige Potential des Jazz, vor allem wenn man ihn in erster Linie als 'schwarze Musik' auffasst? Wo es aufblitzt, erfasst es Braese in seinen ausführlichen Analysen, zu denen immer auch Darstellungen der Rezeption in der deutschen Öffentlichkeit gehören. Das Buch ist überaus quellengesättigt (. . .)
Man kann zwar hier und da Zweifel anmelden, etwa dahingehend, was die Maiwiesen-Episode in der 'Blechtrommel', in der Oskar die NSDASP-Marschierer aus dem Tritt bringt, indem er erst einen Walzer, dann einen Charleston trommelt, mit Jazz zu tun hat, aber das wäre allzu kleinlich. Die Deutung ist überzeugend. 'Eine dem Jazz gleichsam immanente Opposition gegen alles Militärische, gegen das ihm innewohnende repressive Körperregime (. . .) wird in ein einprägsames Bild verwandelt, das dem Jazz geradezu eine Entmachtungskapazität einschreibt' (. . .)
Wegen der Fülle an zitierten Quellen und an aufschlussreichem Bildmaterial ist das Buch eine Fundgrube."
Günter Rinke, literaturkritik. de, August 2024
"Stephan Braese untersucht, mit welchen Argumenten und in welchem Ausmaß zwischen 1945 und den frühen 1960er-Jahren in der Bundesrepublik dem Jazz die Qualität einer 'Gegenkultur' zugeschrieben wurde. Die Studie basiert auf einer beeindruckend großen Menge an Primär- und Sekundärliteratur. ( ) Braese betrachtet nicht weniger als 19 Fallbeispiele, an denen er untersucht, inwieweit Jazz 'als Gegenkultur' figurierte, wobei sich die Frage ihres Verhältnisses zum Mainstream als ebenso fruchtbar wie problematisch erweist. Über weite Strecken erzeugen die elaborierten, theoretisch reflektierten und die Quellen fein sezierenden Überlegungen des Autors einen argumentativen Sog, dem man sich gern hingibt. ( ) Die Überzeugungskraft des Bandes resultiert daraus, dass er die verbreitete Annahme, Jazz sei in den 1950er-Jahren selbstverständlich 'Gegenkultur' gewesen, von vornherein konterkariert und stattdessen jeweils näher untersucht, inwieweit ihm diese Qualität appliziert wurde."
Detlef Siegfried, H-Soz-Kult, 25. 9. 2024
"Ein außerordentlich materialreicher und analytischer Beitrag zur Kulturgeschichte der noch jungen Bundesrepublik."
neue musikzeitung nmz, 10/2024
"Im Fokus der Untersuchung stehen publizistische Debatten, Sachbücher und Romane, Filme und Hörspiele, Magazine und Modetrends. Dieses Vorgehen wird dem Anliegen überzeugend gerecht, denn so wird sichtbar, in welche diskursiven Zusammenhänge Jazzmusik im Nachkriegsdeutschland eingebettet wurde, welche Deutungen über ihn bei welchem Kreis von Adressatinnen und Adressaten auf Zustimmung, Ablehnung oder Gleichgültigkeit stießen und welche Akteurinnen und Akteure an der Etablierung und Verbreitung der gesellschaftlichen Relevanz von Jazz beteiligt waren."
Arbitrium, 3/2024
"'Wir wollen eine melodiöse Musik', lautet einer der empörten Angriffe gegen den Jazz im Nachkriegsdeutschland der späten 1940er Jahre. Gleichzeitig war Jazz für viele die Befreiung von einer gescheiterten Hochkultur und mörderischem Rassismus, die kulturelle Alternative zu allem Bisherigen. Kaum etwas wurde in Deutschland (und nicht nur hier), von den 40er bis in die 60er Jahre, so ambivalent rezipiert wie der Jazz wie das neues Buch des deutschen Literaturwissenschafters Stephan Braese eindrucksvoll schildert. Allen Jazzinteressierten und all jenen, die neugierig sind auf verblüffende Verwicklungen zwischen Musik und Politik, auch zwischen Moral und Ästhetik, sei dieses Buch wärmstens empfohlen."
Georg Nicklaus, ORF, Ö1
"sehr ansprechend aufgemacht (. . .) Das Kapitel über Miles Davis und die 'Fahrstuhl zum Schafott'-Musik, das sich wunderbar liest, ist so etwas wie Braeses Königskapitel, von Davis' Haltung in dieser Zeit leitet der Autor seine Thesen ab (. . .) ein Kapitel, für das man den Autor nur loben kann: Er weist ausführlich auf den phantastischen Roman 'Der Weg nach Oobliadooh' von Fritz Rudolf Fries hin, einem DDR-Schriftsteller, der dieses Buch 1966 nur im Westen veröffentlichen konnte. Fries steht bei Braese für die 'Coolness des Ostens'."
Helmut Böttiger in Jazz Podium 8-9/2024