Manche Familiengeschichten kleben an einem wie alter Kellergeruch man kann noch so oft lüften, ganz verschwindet er nie. Kornblumenblau ist genau so ein Buch, das einem diesen muffigen Vorhang wegreißt und plötzlich wirds ziemlich hell, ehrlich und unangenehm auf die beste Art. Susanne Beyer geht der Frage nach, wer ihr Großvater eigentlich war ein Opfer, ein Mitläufer oder gar ein Täter? Und was das alles mit ihr selbst zu tun hat.
Was mich richtig gepackt hat, war diese Mischung aus journalistischer Präzision und emotionaler Wucht. Beyer schreibt nicht trocken oder belehrend, sondern zieht einen mitten rein in ihre Spurensuche. Ich hatte mehrmals das Gefühl, selbst in alten Akten zu wühlen oder in vergilbten Briefen nach Hinweisen zu suchen. Dabei gelingt ihr das Kunststück, Geschichte so lebendig zu erzählen, dass sie plötzlich ganz nah wird nicht als etwas, das damals passierte, sondern als etwas, das bis heute in uns weiterwirkt.
Klar, an ein paar Stellen hätte ich mir etwas weniger Wiederholungen gewünscht manchmal dreht sich das Thema Schuld ein bisschen im Kreis. Aber das ist wohl der Preis, wenn man sich in den Nebel der Vergangenheit wagt. Dafür gibts viele kluge Gedanken über Verantwortung, Erinnerung und wie man mit den dunklen Schatten seiner Familie leben kann, ohne selbst darin zu versinken.
Unterm Strich: ein bewegendes, ehrliches Buch, das zum Nachdenken bringt über Geschichte, Familie und sich selbst. Kein leichter Stoff, aber genau das Richtige für alle, die wissen wollen, was in den stillen Ecken ihrer eigenen Familiengeschichte so alles schlummert. Und ja danach guckt man alte Familienfotos garantiert mit anderen Augen an.