No Way Home ist für mich der erste Roman des Autors T. C. Boyle. Gerade eben den Roman beendet, bin ich mir noch unschlüssig, ob er mir nun gefällt oder nicht. Fesselnd finde ich ihn allerdings allemal.
Das Cover wirkt eher unscheinbar, passt aber inhaltlich gut zum Roman: Am rechten Rand des Buches sind verschwommen Gesicht und Arm einer Frau dargestellt. Dahinter sind offenbar die Wüste Nevadas und die Hochhäuser L. A. als Setting angedeutet.
Nach dem Tod seiner Mutter reist der junge Arzt Terry von L. A. nach Nevada um Beerdigung und Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Dort lernt er Bethany kennen, die nach der Trennung von Ex-Freund Jesse aktuell obdachlos ist. Die beiden verbringen eine gemeinsame Nacht miteinander und Bethany quartiert sich anschließend ohne Terrys Wissen im Haus seiner Mutter ein. Es entwickelt sich eine toxische Dreiecksbeziehung voller Selbstsucht, Lügen und Gewalt, denn auch Jesse kann nicht von Bethany lassen.
T. C. Boyle zeigt in seinem Roman auf eindrucksvolle Weise, welche Macht und welchen Einfluss die Liebe und die Eifersucht auf Menschen haben kann und wie sie Leben in Trümmer legt. Es ist nicht die Handlung die mich an den Roman fesselt - an einigen Stellen hätte für meinen Geschmack ruhig ein wenig gestrafft werden können - sondern viel mehr das Bedürfnis die Protagonisten in ihrer Verblendung zu schütteln und ihnen das Realitätsbewusstsein zurückzugeben, insbesondere Terry. Boyles Schreibstil liest sich sehr gefällig, interessant sind vor allem die verschiedenen Sichtweisen von Terry, Bethany und Jesse auf ein und dasselbe Ereignis. Hier offenbaren sich auf faszinierende Weise Egozentrik, verschrobene Selbstwahrnehmung, vielleicht sogar Selbstbetrug und das bedenkenlose Streben nach dem eigenen Vorteil. Es zeigt sich aber auch, dass die Protagonisten aus zwei vollkommen verschiedenen Welten mit anderen Moral- und Wertvorstellungen kommen. Während Terry eigentlich ein sehr vernunftbezogenes, bodenständiges Leben führt, leben Bethany und Jesse in den Tag hinein. Manchmal ziemlich hitzköpfig und oft verantwortungslos, nehmen sie nur allzu gern jeden Spaß mit, der sich ihnen bietet. Dass jemand wie Jesse junge Menschen unterrichtet, ist meiner Meinung nach ein ziemlich erschreckender Gedanke. Ebenso erschütternd ist es aber auch, wie Bethany es immer wieder gelingt den eigentlich so rationalen Terry trotz aller einschneidenden Folgen immer wieder um den Finger zu wickeln und zu manipulieren.
No Way Home watet weder als unterhaltsame feel-good Literatur noch mit großartiger Handlung auf, offenbart aber stattdessen eine ausgesprochen interessante Charakter- und Beziehungsstudie. Ziemlich befremdlich, aber eben doch greifbar und vor allem packend.