Die Suche nach Wasser erzählt die Geschichte der Menschheit als getrieben von Durst. Virginia Mendoza kombiniert darin persönliche Erfahrungen am trockensten Ort Europas mit einer ansteckenden Neugier für die Ergebnisse anthropologischen Forschens. So entsteht eine packende, einmalige Zivilisationsgeschichte, die den Blick auf das Wasser und sein Ausbleiben grundlegend verändert.
Ihre ersten Erinnerungen handeln von der Trockenheit. Denn Virginia Mendoza wächst in La Mancha, Spanien, auf, in der trockensten Region Europas. Vater, Mutter, Großeltern, dazu fast jedes Wort, Werkzeug oder Tradition ihrer Heimat vermitteln eine Überzeugung: Ohne Wasser kein Leben, ohne Wasser keine Zivilisation. Als Virginia Mendoza schließlich fort geht und Anthropologie studiert, wird diese über Generationen tradierte Einsicht zum Leitgedanken ihres wissenschaftlichen Arbeitens. Intensiv befragt sie fortan die Geschichte der Menschheit nach den Auswirkungen von Dürre, Durst und Wasserknappheit. Und entwickelt eine Perspektive, aus der jede unserer Wegmarken - seien es Migrationsströme, Ackerbau, der Blick in die Sterne, das Brot, die ersten Städte, Schriften, Wissenschaften - als eine Etappe auf der Suche nach Wasser erscheint.
Besprechung vom 06.05.2025
Kostbare Ressource
Virginia Mendoza über den Umgang mit Wasser
Die Region La Mancha in Zentralspanien gehört zu den trockensten Gegenden Europas. Regen fällt hier selten, und die Menschen haben sich an den Wassermangel gewöhnt. Die Anthropologin und Journalistin Virginia Mendoza ist in einem kleinen Dorf in dieser Region aufgewachsen und hat nun ein Buch über "Die Suche nach Wasser" geschrieben. Ihre Grundthese: ohne Wasser kein Leben, und die Suche nach ihm ist eine der zentralen Triebkräfte der Menschheitsgeschichte.
Mendoza spannt einen weiten Bogen, um die Geschichte der Menschheit entlang von Wasser zu erzählen. Sie berichtet von aktuellen anthropologischen Forschungen zum Ursprung des Menschen, von frühen Hochkulturen an Nil, Tigris und Euphrat, vom Untergang des Römischen Reiches sowie von den Migrationsbewegungen der Mongolen und Wikinger. Ausbleibender Regen und Übernutzung von Ressourcen führten zu Hungersnöten, Kriegen und politischen Umbrüchen und trieben zugleich technologische Innovationen voran - etwa Messinstrumente zur Erfassung von Niederschlägen oder Verfahren zur Wettervorhersage.
Ob Mendoza damit tatsächlich - wie der Verlag ankündigt - eine Zivilisationsgeschichte vorlegt, bleibt fraglich. Viele ihrer Beobachtungen zur Bedeutung von Wasser und Durst bleiben zu anekdotisch und fragmentarisch. Immer wieder muss sie einräumen, dass andere Faktoren historische Umbrüche bedingt haben, wie etwa im Fall der Französischen Revolution. Die Stärken des Buches liegen ohnehin weniger in der historischen Synthese als in der dichten ethnologischen Beschreibung. Mendoza interessiert sich für Mythen, Rituale, Bräuche, Lieder und Gebete, die in Regionen wie Spanien, Äthiopien, Indien, Japan oder Australien mit der Wassersuche verbunden sind.
Dennoch ist das Buch ein wichtiger Appell, nicht menschliche Elemente in der Geschichte ernster zu nehmen - von der Rolle der Kleinen Eiszeit bei den Hungerrevolten der Frühen Neuzeit über den Einfluss arider Landschaften auf menschliche Siedlungsmuster bis hin zur Tatsache, dass der Bau der Drei-Schluchten-Talsperre in China die Erdrotation veränderte. Mendoza ist dabei keine Geodeterministin: Sie behauptet nicht, dass Gesellschaften ausschließlich durch Umweltbedingungen geprägt seien. Konsequent spricht sie daher nicht von "Dürre", sondern von "Durst" - ein Begriff, der die Mitverantwortung des Menschen für Wasserknappheit betont.
Dass Wasser eine knappe und kostbare Ressource ist, weiß Mendoza seit ihrer Kindheit. Sie erzählt von ihrem Großvater, der im Heimatdorf für die Wasserverteilung verantwortlich war. Oder vom reichen Großbauern im Nachbardorf, der unerlaubt den Grundwasserleiter anzapfte, während andere Bewohner des Dorfes Durst litten. Die menschliche Beziehung zum Wasser ist von ständigen Konflikten geprägt - von Ressourcenkämpfen und der Angst vor der nächsten Trockenperiode.
Diese Konflikte treiben auch den menschlichen Versuch an, die Natur und damit den Durst zu kontrollieren - durch technische Großprojekte wie Staudämme und Bewässerungssysteme. Mendozas Vorfahren erlebten, wie das Regime Francisco Francos nach den Dürrejahren der Vierzigerjahre massiv in den Staudammbau investierte. Auch wenn viele Pläne älteren Ursprungs waren, steht der spanische Staudammbau exemplarisch dafür, wie lokale Bevölkerungen - oft durch gewaltsame Umsiedlung - den Preis für die Urbarmachung trockener Landstriche zahlten.
Mendoza ahnt, dass sie ihre Heimat eines Tages verlassen muss. La Mancha wird immer heißer und trockener. Bereits heute führen lange Dürreperioden dazu, dass junge, gut ausgebildete Menschen fortziehen. Wer bleibt, lebt mit dem Risiko, bei plötzlich einsetzenden Regenfällen zu ertrinken, denn der ausgedörrte Boden kann das Wasser nicht mehr aufnehmen. Bis es so weit ist, kann man in La Mancha bereits die drastischen Folgen des Klimawandels besichtigen. Mendozas Buch zeigt jedoch auch: Die Menschheit hat seit jeher mit fluktuierendem Niederschlag, schwankenden Temperaturen und einem unstillbaren Durst gerungen. JAN HANSEN
Virginia Mendoza: "Die Suche nach Wasser". Eine Menschheits-
geschichte.
Aus dem Spanischen von Maria Meinel. Insel Verlag, Berlin 2025. 332 S., geb.
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