Ja und nein.
Ich mochte den ersten Teil, den atmosphärischen, geheimnisvollen Beginn. Ich mochte die historische Dimension des Romans (Umgang der Niederländer mit der jüdischen Bevölkerung während und nach der Nazizeit). Die Liebesgeschichte der beiden Protagonistinnen mochte ich nicht.
Isabel lebt seit dem Tod ihrer Mutter und dem Auszug ihrer zwei Brüder allein in einem großen Haus irgendwo in den Niederlanden. Ihr vermögender Onkel hat es für die armen Verwandten nach dem Krieg gekauft, der älteste Sohn soll es bekommen, wenn er heiratet. Der macht aber keine Anstalten, also bleibt die unverheiratete junge Frau allein dort. Die Geschichte spielt mit Rückblenden im Jahr 1961. Ein Verehrer aus der Nachbarschaft ist zwar vorhanden, Isabel kann sich jedoch nicht entschließen, mehr aus dieser Beziehung zu machen. Soziale Kontakte lehnt sie ab. Das Haus und alle Utensilien darin sind ihr Heiligtum. Sonst scheint sie nichts zu brauchen.
Sie findet (so beginnt der Roman) bei der Gartenarbeit eine Keramikscherbe. Die muss zu dem Tafelgeschirr gehören, das sie in einer Vitrine verwahrt und nie benutzt, sind die Teller doch die heiligen Hinterlassenschaften ihrer Mutter. Sie zählt die Teller nach, keiner fehlt. Sie fragt ihren jüngeren Bruder. Vielleicht sei der Teller schon vor dem Einzug der Familie zerbrochen, meint er. Schließlich hätten sie das Haus möbliert bezogen. Es bleibt mysteriös. Die neurotische Isabel verdächtigt das Hausmädchen und später, als kleine Dinge aus dem Haushalt plötzlich fehlen, auch Eva, die junge Frau, die ihr älterer Bruder über den Sommer bei ihr abgestellt hat, während er ins Ausland geht. Das Verhältnis der beiden ist äußerst gespannt. Isabel beobachtet krankhaft jeden ihrer Schritte, wird eifersüchtig auf Eva, die scheinbar viel offener durchs Leben geht. Bis sich in einem Moment der Anspannung auf einmal alles ändert und aus Isabels Hass auf den Eindringling Leidenschaft wird.
Der zweiter Teil des Romans zieht sich sehr. Die schwülstig erzählten Liebesszenen wiederholen sich, verzögern die Auflösung des großen Rätsels, die Frage, was Eva mit dem Haus zu tun hat. Man ahnt es recht schnell und wird deshalb ungeduldig. Schade! Im letzten Teil wird das Tempo wieder flotter, die historischen Zusammenhänge werden klar und eindrucksvoll dargeboten.
Leider kann ich den Figuren manchmal nicht ganz glauben. Ein bisschen nervig finde ich die Satzabbrüche in den Dialogen, ein Mittel, das die Autorin allzu oft einsetzt, um Sprachlosigkeit oder Unsicherheit der Figuren auszudrücken.
Auf deutsch unter dem Titel In ihrem Haus bei Gutkind erschienen. 2024 auf der Shortlist des Booker Prize.