50 Ways to leave your Ehemann - klingt das nicht ultra lustig und leicht?
Der Titel, eine Anspielung auf einen Songtitel, ist nur vermeintlich leicht. Er hat auch bei mir sehr viel Irritation ausgelöst, aber er verdeutlicht bereits die Art und Weise, wie sich Jacinta Nandi den Themen häusliche Gewalt, alleinerziehende Elternschaft und Herauslösung aus gewaltvoller Beziehung nähert. Das tut sie nämlich trotz der Heftigkeit der Themen mit einer Sprachfertigkeit und einem Humor, die mir mehrfach die Sprache verschlagen haben und gleichzeitig Achtung dafür hervorriefen, wie viel Kraft sie an den Tag legt.
Wobei wir genau da schon bei der Wunde sind, in die Nandi genüsslich ihren Finger legt: Wie wir Betroffene häuslicher Gewalt und alleinerziehende Mütter wahrnehmen (wollen) - und "wir" meint hier eindeutig auch feministische Kreise, in denen klassistische Powermuttis mit reichen Exmännern wenig Raum lassen für die Thematisierung rassistischer Marginalisierung, finanzieller Benachteiligung und das Hinterfragen von Vorstellungen darüber, wie sich alleinerziehende Frauen und von häuslicher Gewalt betroffene Frauen zu verhalten haben. Oder welche institutionellen Hürden es gibt, die ihnen das Leben erschweren.
Denn, das macht Nandi deutlich: Das Problem ist nicht das alleinige Erziehen, das könne verdammt viel besser sein als eine unsolidarische Partnerschaft. Das Problem sind die Bedingungen, unter denen sich meistens Frauen dieses Alleinerziehen erkaufen: Ein ziemlich hohes Armuts- und Gewaltrisiko, gesellschaftliches Mitleid, Ächtung, aber keine strukturellen Verbesserungen. Und sie macht klar, wie häufig Frauen die Mittel fehlen, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen.
Apropos Gewalt. Wen das alles noch nicht überzeugt, dem*der seien Nandis Auslassungen zum Prozess Johnny Depp vs. Amber Heard wärmstens empfohlen. Der Genuss, mit dem selbst und gerade feministische Kreise Amber Heard öffentlich fertiggemacht haben, war auch für mich im letzten Jahr erschreckend. Nandi dechiffriert schonungslos die Misogynie dahinter, Depp zu feiern und Heard zu dämonisieren: "Um zu glauben, dass Depp nur Opfer ist, darf man nicht sehen können, dass Amber Heard ein Mensch ist." (S. 219).
Der Satz richtet sich vor allem an jene, die während des Prozesses bissige Memes über Amber Heard geteilt und sehr klar Position bezogen haben. Denn es ist egal, ob man den Prozess verfolgt hat oder sie für eine Täterin hält: Die ungefilterte Misogynie im Umgang mit ihr und das Abfeiern von Depp sind und waren unerträglich.
That being said: An einigen Stellen hat man beim Buch gemerkt, dass es eine relativ lockere Essaysammlung war. Deshalb hat mir hier und da etwas der rote Faden gefehlt oder es gab vermeidbare Redundanzen. Das ändert nichts am wichtigen, ich habs gern gelesen und kann es nur weiterempfehlen. Im wie immer bereichernden Buddyread mit Jule @bionoema_blog wurde uns beiden aber klar, dass sich die Texte besser häppchenweise lesen lassen und eher eine Textsammlung darstellen, nicht von vornherein für die Buchform geschrieben sind. Wer also längere Auseinandersetzungen sucht, könnte bei Nandi irritiert sein. Wer knappe, pointierte, (selbst-)kritische und kluge Gedanken lesen will, sollte dagegen zu diesem Buch greifen.