Yumiko Kadota studiert in Australien Medizin und möchte unbedingt Chirurgin werden. Als Tochter japanischer Eltern lebte sie in Singapur, London und Melbourne. Mit Bestnoten schließt sie die Schule ab und auch im Studium läuft es erstmal gut. Als Frau mit ausländischen Wurzeln in der Chirurgie wird sie nur allzu oft "emotional" genannt. Die angebliche weibliche Emotionalität zeichnet sie als gute Ärztin aus - jedoch steht ihr das auch in einem kompetetiven Gesundheitssytem allzu oft im Weg. Letztlich kann sie dem Druck nicht mehr standhalten und zieht sich mit einem Burnout, wie bereits im Untertitel zu lesen, aus dem Gesundheitssystem zurück. Sie gewährt dabei sehr persönliche Einblicke in diese Zeit voller Umbrüche.
Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht, man begleitet sie zunächst in einem Epilog mit einem beginnenden Arbeitstag und direkt wird klar: das kann kein Mensch auf Dauer aushalten. Yumiko Kadota erzählt aus ihrer Perspektive und das hat mir auch gut gefallen: man bekommt Eindrücke und Gefühle der Autorin mit und das Buch wirkt sehr persönlich dadurch. Die Geschichte ist in drei große Teile mit einigen Unterkapiteln gegliedert. Sie erzählt aus ihrer Kindheit und Jugend und sofort wird klar, dass sie den Drang, immer die Beste sein zu wollen, gemocht zu werden und beliebt zu sein, bereits ihr ganzes Leben hat. Auch durch ihren kulturellen Hintergrund geprägt möchte sie die Karriereleiter steil nach oben erklimmen. Pausen gönnt sie sich auch im Studium kaum, passiert ihr ein Fehler, ärgert sie sich danach unglaublich und strengt sich noch mehr an, noch besser zu sein.
Bereits im Studium und anschließendem Praktikumsjahr zeigt sich, dass sie als Frau anders in der zwischenmenschlichen Ebene agiert als die zumeist männlichen Kollegen. Die Geschichte zeigt deutlich, was in wahrscheinlich den meisten Gesundheitssystemen falsch läuft und riesige Probleme darstellt: Misogynie, Rassismus, sexuelle Übergriffe und Belästigungen und Leistungsdruck sind an der Tagesordnung. Yumiko Kadota schiebt diese Probleme, die gerade sie als Frau noch mehr betreffen, stets beiseite und konzentriert sich auf Studium und später die Arbeit.
Das ist leider auch ein großer Kritikpunkt für mich: sie arbeitet ihre Vergangenheit als Ärztin nur auf indem sie ihre Geschichte "runter schreibt". Eine Reflexion oder lösungsorientiertes Denken fehlt hier, es scheint eher, als hätte sie Tagebücher und Einträge aus der Vergangenheit zusammen geschrieben und in ein Buch verpackt. Vom Klappentext und der Leseprobe her hätte ich mir eine andere Geschichte vorgestellt. Mir haben hier Expertenmeinungen, Statistiken und Meinungen von Kollegen und (Pflege)Personal gefehlt, die das Ganze runder und stimmiger gemacht hätten. So bleibt es eine Aneinanderreihung von verschiedenen "Stationen" auf der Karriereleiter der Autorin, die sie systematisch abhakt. Als Leser bekommt man einen guten Einblick in das Leben als (Jung)Ärztin, die mit vielen Hürden zu kämpfen hat, aber es bleibt eben alles auf einer sehr subjektiven Ebene ohne Reflexion.
Als Leser bemerkt schon früh, dass die Autorin geradewegs in ein Burnout steuert und möchte sie am liebsten schütteln und zur Pause und zum Innehalten regelrecht zwingen. Oft nüchtern erzählt sie aus ihrem Alltag und ihren verschiedenen Stationen, ein Privatleben gibt es so gut wie gar nicht, sodass sich ihr Leben im Krankenhaus abspielt. Passiert eine Ungerechtigkeit oder ein Fehler, hält sie nicht inne oder nimmt sich den Raum um mit Abstand auf die Situation zu schauen sondern bleibt in einer Art Empörung, die ihren Drang nach Perfektion nur weiter anstachelt. Dieser Umstand hat mir oft das Weiterlesen schwer gemacht, denn in diesem Stadium verharrt die Autorin den größten Teil der Geschichte.
Der Weg in den Burnout war von daher so gut wie vorgezeichnet, spätestens hier hätte ich mir mehr Reflexion, mehr Innehalten und Abstand ihrerseits gewünscht. Es kam mir vor als würde sie auch diesen Umstand, nun arbeitsunfähig zu sein, als Challenge sehen, die sie mit Bestleistung bestehen muss. Einen Weg aus Depression und Burnout zu finden ist ein steiniger Weg, den die Autorin allerdings wie immer schnellstmöglich abhandeln möchte ohne sich Gedanken machen zu müssen. Das Nachwort der Autorin hat dann für mich Einiges erklärt, es wäre allerdings als Vorwort zu Beginn des Buches besser aufgehoben gewesen, weil einem als Leser dadurch Einiges klarer wird in Bezug auf Kadotas Schilderungen.
Insgesamt ist "Emotional Female" eine Geschichte, die einerseits einen interessanten Einblick in das destruktive Gesundheitssystem gibt, die aber andererseits nur von den Schilderungen und Erzählungen der Autorin lebt und daher auf einer subjektiven Ebene verharrt ohne zu reflektieren oder ein Fazit zu ziehen.
3,5/5 Sternen