Wenn der Alltag zum Thriller wird ¿ mehrere scheinbar unverbundene Fälle & die Frage, wie tief die menschlichen Abgründe sind
Als begeisterte Leserin düsterer skandinavischer Krimis und Thriller war ich auch bei diesem Buch von Yrsa Sigurdardottir voll in meinem Wohlfühlbereich. Anders als die Vorgänger dieser Reihe spielen alle Fälle in einem absolut normalen Umfeld, das es auf den zweiten Blick aber wirklich in sich hat. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit den Ermittlern aus "Nacht"; deren Ermittlungen dominieren das Buch aber nicht, sondern begleiten die Fälle. Am Ende führt die Autorin die verschiedenen Fäden zusammen, aber nicht alles kommt ans Licht durch die Ermittlungsarbeit, was ich als sehr authentisch empfinde.Die Polizei aus Reykjavik ermittelt in einem seit Jahren eskalierenden Nachbarschaftsstreit zweier Paare. Doch in der Sackgasse ist noch einiges mehr geschehen, was man sich natürlich gegenseitig anlastet wie einen Hausbrand bei dem nur die Mutter überlebte.Parallel begleitet man eine angehende Schiffsköchin mit Panikattacken an Bord. Sie junge Frau hat vor vielen Jahren ihren Vater bei einem Schiffsunglück verloren; dort stößt sie auf das Kochbuch des Vaters, ein Geschenk, das sie ihm gemacht hat und das er auf seine letzte Fahrt mitgenommen hat. Aber das bleibt nicht der einzig seltsame Vorfall.Das sind die beiden Haupterzählstränge. Die Autorin arbeitet v.a. mit der (negativen) Dynamik der Figuren, Gerüchten und Halbwahrheiten; in diesem Buch gibt es auch vergleichsweise viele Personen; dahingegen tritt die isländische Natur ein wenig in den Hintergrund und die Stimmung ist auch weniger klaustrophobisch als in "Nacht", "Schnee" und "Nebel", dennoch finde ich es sehr gelungen. Der Schreibstil und die gesamte Konstruktion veranlasst zum zügigen Lesen, was aber dazu geführt hat, dass ich die dezenten Hinweise auf die wahren Hintergründe gelesen, aber nicht in Zusammenhang gebracht habe. Am Ende sind es auch einfach viele Verstrickungen, die entwirrt werden müssen - vielleicht ein wenig too much für einen Thriller, aber am Ende hat der Weg dorthin mich sehr überzeugt.