Optisch fügt sich der neue Band sehr stimmig in die Reihe ein und hat bei mir sofort dieses typische Wohlfühlgefühl ausgelöst. Man sieht das Buch und weiß, was einen ungefähr erwartet, und genau das mag ich bei Reihen sehr gern.
Mit dem Schreibstil bin ich wieder gut zurechtgekommen. Richard Osman schreibt locker, pointiert und mit diesem trockenen britischen Humor, der mir schon in den Vorgängern Spaß gemacht hat. Die kurzen Kapitel und die wechselnden Perspektiven lesen sich flüssig, auch wenn ich mich zwischendurch manchmal sortieren musste, wer gerade dran ist. Besonders die Tagebucheinträge von Joyce lockern alles auf und bringen immer wieder kleine, stille Pointen.
Inhaltlich mochte ich den Einstieg über die Hochzeit von Joyces Tochter sehr. Das ist ein sehr persönlicher Rahmen und fühlt sich fast an wie ein längerer Besuch bei alten Bekannten, bevor dann nach und nach der neue Fall ins Rollen kommt. Dass der Trauzeuge Hilfe braucht, jemand offenbar nach seinem Leben trachtet und ein angeblich unlösbarer Code im Mittelpunkt steht, passt wunderbar zu dieser Truppe von Rentnerinnen und Rentnern, die einfach nicht anders können, als sich einzumischen.
Am meisten getragen wird das Buch für mich wieder von den Figuren. Joyce ist für mich nach wie vor das Herz der Gruppe - mit ihrer Mischung aus Naivität, Scharfsinn und schonungsloser Ehrlichkeit. Elizabeth wirkt in diesem Band verletzlicher, was mit ihrer Trauer zu tun hat, und das hat mir gut gefallen, weil es sie noch menschlicher macht. Ron bekommt mit seinen familiären Sorgen mehr Raum und wächst einem damit noch mehr ans Herz, und Ibrahim bleibt der ruhige Pol, der alles ein bisschen analytischer betrachtet. Schön fand ich auch, dass ein paar jüngere Figuren stärker eingebunden werden, das bringt frische Dynamik in die Ermittlungen.
Ganz perfekt war es für mich aber nicht. Es gibt ziemlich viele Nebenstränge, die alle für sich interessant sind, aber den eigentlichen Fall rund um den Code zwischendurch etwas in den Hintergrund schieben. Gerade im Mittelteil hatte ich das Gefühl, dass die persönliche Ebene fast wichtiger ist als der Krimiplot, was einerseits charmant ist, andererseits ein wenig auf Kosten der Spannung geht. Die Auflösung ist stimmig und passt zur Reihe, aber ich hätte mir an einer Stelle einen stärkeren Überraschungsmoment gewünscht.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte hatte ich beim Lesen viel Freude. Die Mischung aus Humor, leiser Melancholie, Freundschaft und einem nicht zu blutigen Fall funktioniert für mich immer noch sehr gut. Für mich ist dieser Band ein solides, warmherziges Wiedersehen mit dem Donnerstagsmordclub.
Fazit:
Fans der Reihe werden sich hier sehr wohlfühlen, Neueinsteigern würde ich allerdings eher empfehlen, wirklich mit Band eins anzufangen, damit die vielen Beziehungen und Anspielungen besser greifen.
4/5 Sterne