"[...] Die Kunst ist frei, auch wo sie in ihrer Unbedingtheit andere verletzt, und sei es in deren religiösem Empfinden. Ein kleines, sehr orientierendes Buch diskutiert das unter dem Titel 'Religionsbeschimpfung. Der rechtliche Schutz des Heiligen'. Und obwohl die Autoren die Sache der Religion mit Anteilnahme betrachten - das Buch ist hervorgegangen aus einer Veranstaltung der katholischen Görres-Gesellschaft -, ist der Befund eindeutig: Die Religion vor öffentlicher Herabsetzung zu schützen ist dem Staat nicht gegeben. Die Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunst stehen dem gebieterisch entgegen.
Zwar wird nach Paragraph 166 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis anderer 'in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören'. Aber Verurteilungen nach dieser Norm gibt es so gut wie nicht mehr, und so ist es auch richtig. Verfassungsmäßige Freiheiten können nur durch andere verfassungsmäßige Bestimmungen eingeschränkt werden. Gott und Glauben sind keine derart festgestellten Rechtsgüter. Auch das religiöse Gefühl scheidet in seiner Unbestimmtheit als Grenze aus. Wohl ist die Freiheit des Glaubens und der Religionsausübung grundsätzlich garantiert, aber sie leidet nicht unter Pamphleten. Trotz [...] Mohammed-Karikaturen kann jeder europäische Muslim so fromm sein, wie er mag.
Der Regensburger Strafrechtler Michael Pawlik gibt sehr vorsichtig zu bedenken, ob die Schmähung der Religion nicht den Achtungsanspruch des Gläubigen verletze. Unser Handeln richtet sich nach Normen, und die letzten Normen, denen der Gläubige folgt, die seines Glaubens zu verspotten heißt, ihn selbst zu kränken. Pawlik hält des aber zuletzt doch für falsch, auf diesen Gedanken eine strafrechtliche Ahndung zu stellen: Das Strafrecht übernimmt sich, wenn es sittliche Standards verteidigen will, die in der Gesellschaft keinen Rückhalt mehr haben. Aber seine Argumentation erklärt, warum die Religionsbeschimpfung etwas Ernstes ist, warum die Erregung der Gläubigen verständlich ist und nicht bloß gekränktes Stammeskriegertum." Stephan Speicher, in: Süddeutsche Zeitung, 7. April 2008
"[...] Es ist [...] verdienstvoll, dass Josef Isensee, ein Streiter für eine wirkungsvolle Kultur der Ehre, diesen Band herausgegeben hat, der eine rechtshistorische, eine strafrechtliche und zwei verfassungsrechtliche Analysen des rechtlichen Schutzes des Heiligen gegen Beschimpfungen bietet.
"[...] Andreas von Arnauld de la Perriére und Josef Isensee in seinem Nachwort decken umfänglich und detailgenau die verfassungsrechtlichen Probleme ab. Beide schildern ausführlich die einschlägigen Beispiele von Rushdie über die Fernsehserie 'Popetown' bis zu Papst Benedikt. Sie weisen auf den demographischen Hintergrund der islamischen Kritik am westlichen Meinungsfreiheitsverständnis hin, sensibilisieren für Ehr- und Heiligkeitsansprüche, verweisen aber ebenso deutlich auf die drohende 'Tyrannei des Gruppenveto' (ein Ausdruck von Timothy Garton Ash), die dort einsetzt, wo jede Gruppe die eigene heilige Kuh strafrechtlich außer Kritik stellen will. [...] In Kernpunkten sind [die beiden Verfassungsrechtler] einig: § 166 StGB ist kein scharfes Schwert gegen Religionsbeschimpfung und wird auch keines mehr werden. Wenn, dann ist eine Neubesinnung über Sinn und Zweck des § 166 StGB selbst erforderlich (Pawlik) oder aber wir kämpfen politisch, in der Gesellschaft, fortiter in re, aber suaviter in modo für eine zivilisierte Kultur der Ehre (Isensee) und für eine Inklusion aller Bürger mit ihren unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen (Arnauld). Ein lesenswerter Band, der aufklärt, nicht zuletzt über Stärken und Schwächen der Aufklärung selbst!" Winfrid Brugger, in: Der Staat, 1/2008