Manchmal reicht eine Person, die einem die richtigen Fragen stellt, um zu vergessen, dass man sich eigentlich nicht ausstehen kann
Als ich Emma Smiths"I hate you, honey"in meinem Bücheradventskalender hatte, musste ich ziemlich schmunzeln und fand den Klappentext recht interessant, hatte aber auch meine Bedenken, denn College Liebesgeschichten passen momentan nicht so ganz in mein Leseverhalten. Eigentlich wollte ich auch nur mal vor dem Schlafen gehen reinlesen und bin dann dran geblieben, bis ich es nachts nach drei beendet hatte... Dabei war es jetzt keine typische Geschichte, von der ich nicht genug bekommen konnte, sondern vielmehr vom Aufbau ansprechend genug, um dem Ende entgegen zu fiebern und endlich zu erfahren, wie sich diese anfängliche Rivalität entwickelt. "I hate you, honey" beginnt mitAmbers Sicht, als sie gerade frisch aufs College kommt. Sie freut sich sehr auf ihre bevorstehende Zeit, auch wenn sie sichSorgen um Zuhausemacht. Als sie mitbekommt, wie ein paar typische Draufgänger-Typen einen schüchternen Schüler ärgern, geht sie sofort dazwischen und gibt den Jungs Kontra. Und dann geht die Geschichtedrei Jahre später, mit ihrem letzten Jahr am College, weiter...Für Amber, die sich nicht einfach nur auf die Seite der Schwächeren stellt, sondernmit völliger Selbstverständlichkeit jeden Menschen so nimmt, wie er ist, ist der Quarterback des Footballteams, Blake Michaels, und seine genauso oberflächlichen Freunde,die einzige Ausnahme. Der Kerl, der seinen Status als reicher Sprössling, mit dem jedes Mädchen ins Bett hüpfen will, mehr als nur auskostet und in vollen Zügen - ohne jeden Skrupel - genießt, ist auch nach drei Jahren für Amber ein rotes Tuch.Die Mitschüler schließen schon Wetten ab, wer wem als nächstes einen Spruch drücken wird. Amber ist die Eine, die Blake direkt ins Gesicht sagt, was sie denkt und das fasziniert ihn. Aus anfänglichem Hass wird schnell eineZerreißprobe, besonders für Blake, denn seine Gedanken kehren immer wieder zu Amber zurück, was er sich logisch einfach nicht erklären kann. Und auch Amber, die von ihrer eigenen besten Freundin wissend belächelt wird, muss sich eingestehen, dass Blakes verdammter Südstaatenakzent sie nicht mehr nur in den Wahnsinn treibt... "I hate you, honey"wird abwechselndaus Ambers und Blakes Sicht erzählt - und das merkt man. WährendAmber ihre Gedanken sanft und herausforderndzum Ausdruck bringt, macht derSchreibstil der Autorineine hundertachtzig Grad Wendung, wenn sie aus Blakes Sicht schreibt. Dann wirkt es weniger wie eine erzählte Geschichte, sondern direkt ausBlakes draufgängerischem und vulgären Wortschatzgegriffen. Das Thema aus Feinden werden Liebende und das auch noch im College, hat man deutlich gemerkt. Besonders Blakes Sichtweise wandelt sehr stark zwischen pubertierendem Teenager und Erwachsenen. Er hat denrichtigen Drallund es ist erfrischend, wenn der Fiesling der Geschichte merkt, dass er selbst das Problem ist, doch egal wie oft er betont, dass ihm Verhalten A nicht mehr gefällt oder Person B ihm zu aufdringlich ist, verfällt er immer wieder in recht primitive Muster. Beispiel: Er hinterfragt seine eigene Einstellung zu belanglosem Sex, während er kurz darauf wieder von den optischen Vorteilen der Frau in typischen Jungs-Slang spricht. Das kam mir einfachwidersprüchlichvor. So als würde die Geschichte selbst sagen: Hey, wir sind auf dem College, hier geht es um Party und Sex, während die Autorin ihre Charaktere versucht an die Leine zu legen und ihnenmehr Tiefe aufdrücken möchte. Ich mochte Amber und Blake und ihre Gegensätze. Auch der deutlicheUnterton der Geschichte, dass manche Dinge sich nur ändern können, wenn eine Person wirklich bereit ist alles von der anderen Person wissen zu wollen, hat mir sehr gut gefallen. Ambers Selbstlosigkeit und ihre Fürsorge für die Familie haben mich sehr beeindruckt. Auch dieNebencharakterekommen nicht zu kurz und sind eingroßer Bestandteil, wenn es darum geht die beiden Hauptprotagonisten aufeinander zuzuschubsen. Ambers beste Freundin Jill und Blakes Freund Nick, der eher weniger draufgängerisch ist, sind genau die Art von Freund, die man gerne an seiner Seite hat. Frei heraus mit ihrer Meinung, dabei humorvoll und stets bereit auf Fehler hinzuweisen und nicht locker zu lassen. Ich habe beide gern gehabt. Emma Smith hat imNachwortwundervolle Wort gefunden, dass die Geschichte zeigen soll, dass auch Mobbing zum Alltag gehört und wie man es anders machen kann. Dass Amber durch ihre Schwester gelernt hat, dass anders sein nicht bedeutet schlechter zu sein. Smith hat Ambers Familiengeschichte nachvollziehbar geschrieben und ihrem Charakter dadurch etwas wundervoll einmaliges gegeben.FAZIT:Ein paar derbe Sprüche, jede Menge typisches Jungs-Gelaber und eine junge Frau, die keine Lust hat dabei zuzusehen, wie die coolen Jungs sich ihren Möchtegern-Status durch das herumschubsen Schwächerer aufmotzen - all das ist"I hate you, honey"von Emma Smith. Doch in Ambers und Blakes Geschichte, wie aus sarkastischen Sprüchen und idiotischen Bemerkungen mehr wird, ist nicht einfach nur eine College Geschichte voller Party und Sex, sondern fügt die Gegensätze der beiden Hauptprotagonisten zu einem passenden Ganzen zusammen. Als würde man ein richtiges Puzzlestück einsetzen können, wenn man nur die richtigen Informationen bekommt. Und - was viel wichtiger ist - bereit ist diese Informationen auch bekommen zu wollen. Blake ist ein typisches Arschloch. Er weiß das und Amber wird nicht müde es ihm immer wieder vorzuhalten. Umso interessanter ist seine Erkenntnis, die ihn selbst auf den richtigen Weg bringt. Der Beginn des Buches war eine kleine Herausforderung, doch je mehr ich über Amber erfahren habe, desto neugieriger war ich, wie sich das später mit Blake zusammen darstellen würde. Emma Smith hat eine witzige, oft derbe und sehr sarkastische Geschichte geschrieben, die einen großen Unterhaltungswert hat, auch wenn ich oft genervt über gewisse Verhaltensweisen war...