Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1, 3, Universitä t Mü nster, Sprache: Deutsch, Abstract: Die folgende Hausarbeit beschä ftigt sich mit der Figur des Gretchen als Kindsmö rderin und geht der Frage nach, inwiefern sie fü r dieses Verbrechen verurteilt wird. Der untersuchte Gegenstand ist nicht die vollendete Fassung des Faust I, sondern der Urfaust, der dabei (trotz einiger Vergleiche) als eigenstä ndiges Werk aufgefasst wird und nicht als "unvollstä ndiger" Vorentwurf des Faust I.
Diese Wahl der Fragestellung, des Gegenstandes und der Methode schrä nken die brauchbare Forschungsliteratur stark ein. Fast alle Untersuchungen der Gretchen-Figur beziehen sich auf Faust I. (Einige davon werden dennoch verwendet, denn trotz der oben zitierten Behauptung von Vitz lassen sich viele Aspekte auch auf die Gretchen-Figur im Urfaust beziehen.) Die Frage nach dem Kindsmord wird zwar hä ufig flü chtig berü hrt, aber selten konkret behandelt. Problematisch ist, dass Gretchen in einigen Fä llen einseitig betrachtet und ü berhö ht dargestellt wird, in vielen anderen Fä llen lediglich als eine notwendige Episode in der Entwicklung Fausts behandelt wird [Siehe hierzu Vitz Kapitel ü ber die Faust-Rezeption nach 1945: Georg Vitz, a. a. O. , S. 123f.].
Letzteres findet sich beispielsweise bei Stuart Atkins [Siehe hierzu und zu folgendem: Atkins, Stuart: Neue Ü berlegungen zu einigen missverstandenen Passagen der "Gretchentragö die" in Goethes Faust. In: Keller, Werner: Aufsä tze zu Goethes "Faust I". Darmstadt 1974.]: Gretchen sei lediglich "eine symbolische Vertreterin des weiblichen Geschlechts", ihre Rolle "auf ein absolutes Minimum reduziert" und die sogenannte Gretchentragö die nur "eine symbolische Episode". Aus dieser Sicht erscheint eine Untersuchung der Gretchen-Figur nur im Hinblick auf Faust interessant, nicht aber als eigenstä ndige Figur des Dramas. Dennoch halte ich die Frage nach der Gretchen-Figur fü r gerechtfertigt, zum einen weil sie, wie bereits gesagt, im Urfaust eine andere Bedeutung hat, zum anderen weil in dieser Figur wie Bernhard Greiner darlegt die "Begrü ndung des Faust als Tragö die" liegt [Greiner, Bernhard: Margarete in Weimar: die Begrü ndung des Faust als Tragö die. In: Euphorion. Zeitschrift fü r Literaturgeschichte 93 (2).]. Der Leser empfindet gerade Gretchens Schicksal als das tragische Element des Dramas. Ob dies Goethes Absicht entsprach, kann bei werkimmanenter Interpretation dahingestellt bleiben. [. . .]