Vor kurzem wurde ich auf eine Buch aufmerksam, das wirklich einen sehr interessanten Genre-Mix verspricht: Sci-Fi, Zukunftsroman, Fantasy und Gesellschaftsroman. Das passt alles nur schwer zusammen? Das mag sein. Bei "Die erste Tochter - Adelsspross" funktioniert es thematisch allerdings sehr gut! Eine Gefahr einer so großen Aufgabe? Vor lauter neuer Blickwinkel, verliert man vielleicht den Fokus. Und trotz wirklich toller Idee, vielen spannenden Charakteren und interessanter Handlungsstränge, ist dies meiner Meinung nach auch hier passiert.KlappentextEin Mädchen erkennt, dass sie fliegen möchte und nicht darf. Myn wächst auf einem Planeten auf, über dem Raumschiffe fliegen und auf dem Väter das letzte Wort haben.MeinungDer Klappentext sagt nicht allzu viel über die Handlung des Buches aus. Man sollte dazu vielleicht wissen, dass die Reihe auf sieben Teile ausgelegt ist. Daher ist es einleuchtend, dass "Adelsspross" ein Auftakt ist, der vor allem in die fremde Welt einführen soll. Die Figuren werden vorgestellt und man wird mit dem Setting als solches erst einmal bekannt gemacht. Das gelingt auch definitiv. Es ist allerdings auch extrem notwendig.Lasst mich erklären, was ich meine: Die Autorin Katharina Maier hat sich einiges vorgenommen. Die junge Protagonistin Mynrichwy Neoly wächst auf dem Planeten Singis auf. Ihre Welt ist vom Patriachart bestimmt und es gibt feste gesellschaftliche Regeln. So weit, so gut. Doch schon anhand des Namens, der immerhin meistens mit "Myn" abgekürzt wird, merkt man, dass es kompliziert werden könnte. Und das tut es. Maier hat sich eine Welt aufgebaut, die man nicht ohne Weiteres versteht. Es gibt unzählige Planeten, Völker, fantastische Wesen, Fachbegriffe und unglaublich komplizierte Namen. Die Namen sind nicht nur kompliziert, sie sind für den normalen deutschen Wortschatz auch gar nicht aussprechbar. Das ist per Se nicht schlimm. Aber bei mir sorgte es dafür, dass ich die Figuren nicht sofort fassen konnte. Manchmal wusste ich auch nicht, wer jetzt nochmal wer war. Und vermutlich habe ich sie alle in meinem Kopf falsch ausgesprochen. Glücklicherweise gibt es ein "Who is who" im Buch. Des Weiteren gibt es ein langes Verzeichnis an Begriffen, die verwendet werden. Hat man die Print-Ausgabe, sollte man die Möglichkeit definitiv nutzen und immer wieder hineinschauen. Ich habe das auf dem E-Reader nicht getan und mir einiges einfach im Zusammenhang erschlossen. Es gibt zum Beispiel eigene Begriffe für die Zeitrechnung der Singisen (keine Stunden oder Wochen, sondern Mnegau und Nysda). So etwas habe ich dann auch so verstanden. Trotzdem sorgte es bei mir erst einmal für Verwirrung. Die geschaffene Welt von Maier ist einfach so groß und komplex, dass es mich zunächst überforderte.Wenn wir beim Komplizierten bleiben, dann kann ich als nächstes die Erzählform benennen. Im Grunde ist Myn die Erzählerin. Zu ihr baut man auch schnell eine Beziehung auf. Man begleitet sie über Jahre hinweg. Doch dann schleichen sich auch andere Erzähler ein. Und ehrlich gesagt, weiß man nach dem Lesen des Buches gar nicht so genau, wer das jetzt war. Ich vermute, dass es sich um "Fräulein Tod", also den Tod selbst, handelt. Klingt etwas verrückt, ist aber so. Und dann gibt es Zeitsprünge, in denen Myn offenbar erwachsen ist und sich mit einem Terraner auf der Erde unterhält. Diese drei Erzählformen wechseln nicht regelmäßig, sodass ich auch hier mal den Überblick verloren habe.Das klingt jetzt alles so unglaublich negativ. Deswegen wird es Zeit, dass ich mal das viele Gute benenne. Innerhalb der Geschichte fühlt man sich definitiv wohl. Dadurch, dass man Myn schon mit neun Jahren kennenlernt, bekommt man ein gutes Gefühl für ihren Charakter. Ihre Familie ist für die Geschichte sehr wichtig. Und auch, wenn die Handlung irgendwo im Weltall spielt, hat die Familie Neoly doch ganz normale Probleme. Die Eltern streiten sich, es gibt Vertrauensbrüche, Geschwister sind nicht immer einer Meinung und jeder hat so seine Geheimnisse. Auf diese Art und Weise gelingt es Maier auch, sehr aktuelle Probleme wie häusliche Gewalt oder Vereinsamung einzubauen. Denn tatsächlich passen diese Themen wirklich gut in die Handlung! Insgesamt wird viel Gesellschaftskritik geübt. Und natürlich sind die Parallelen zwischen unserer und der singischen Welt gewollt. Ich hätte den Figuren so gern immer wieder "Wehret den Anfängen!" zugerufen. Denn das große politische Problem, das sich aufbaut, ist schon in diesem Auftaktband klar! Minderheiten werden gezielt aufgebaut, ausgeschlossen und zum Feind gemacht. Eine Gesellschaft beginnt, die Lügen einzelner zu glauben und man wird blind für das Offensichtliche. Die Darstellung, wie so etwas von Statten gehen kann, war einfach großartig! Als Geschichtslehrerin bin ich bei solchen Themen sehr sensibel und hier muss ich der Autorin wirklich ein Kompliment machen. Ich bin sicher, das Thema gewinnt in den nächsten Bänden noch weiter an Präsenz.Toll ist auch die Beziehung zwischen Myn und ihrer Mutter. Lys ist eine sehr starke Frau, auf deren Geschichte man wirklich neugierig wird. Sie sorgt für viel Spannung. Insgesamt ist das Buch ab dem Mittelteil wirklich gut. Das Ende war zwar irgendwie vorhersehbar, aber es ist auch die logische Folge der Ereignisse.Insgesamt gibt es so viele Themen in "Adelsspross", dass ich sie gar nicht alle benennen kann. Aber es ist trotz seichtem Einstieg wirklich spannend. Man kommt gut in Myns Welt an, gewöhnt sich an die vielen Charaktere und beginnt, die Geschichte zu verstehen. Zumindest, wenn man sich darauf einlässt. Das kann ich auch nur empfehlen.Ein Punkt, der es mir allerdings erschwert hat, ist der ungewöhnliche Schreibstil der Autorin. Maier versucht sehr bildgewaltig und trotzdem poetisch zu schreiben. Ich würde schon sagen, dass sie Wert auf eine gewisse Bildungssprache legt, meiner Meinung nach gelingt das nur nicht immer. Sie schreibt sehr gern hypotaktisch, sodass manche Sätze wirklich unglaublich lang sind. Mich hat aber etwas mehr die blumige Art des Erzählens gestört. Ein Beispiel:"Ein satter, kühler Wind bauschte die Stoffbahnen um sie herum und mischte sich mit ihrem hellen schwarzen Haar." (42%)Ich kann nicht ganz aus meiner Haut. Da mein zweites Fach neben Geschichte Deutsch ist, muss ich zugeben, dass ich einen solchen Satz bei einem Schüler oder einer Schülerin als unlogisch angestrichen hätte. Nicht nur, dass mir die Bedeutung des Satzes bis heute nicht klar ist; für mich gibt es auch kein "helles, schwarzes Haar". Das ist ganz schlicht ein Paradoxon - als sprachliches Mittel völlig legitim, hier aber ziemlich merkwürdig. Über solche Sätze bin ich immer wieder gestolpert, weshalb ich mit dem Schreibstil bin zum Ende nicht ganz warm wurde.Fazit"Die erste Tochter - Adelsspross" ist ein so großes Projekt, dass man ihm erst einmal eine Chance geben muss. Tut man das, verliebt man sich in viele Aspekte der Geschichte. Die Charakterzeichnung ist gut gelungen, die Welt insgesamt sehr faszinierend und auch die Geschichte nimmt Spannung auf. Hinzu kommt aber, dass das ganze Setting extrem - und meiner Meinung nach unnötig - kompliziert ist. Authentizität in allen Ehren, aber hier war es mir zu viel. Vor allem der Schreibstil sorgte bei mir permanent für Verwirrung. Wäge ich all dies ab und berücksichtige den tollen Genre-Mix, komme ich insgesamt zu einer Wertung von 3,5 Sternen. So viel ist sicher: Die erste Tochter hat noch eine ganze Menge im Petto.