Das Aufstellen der inneren Tafelrunde mit den inneren Eltern und Kindern! En Garde!
Wer kennt seine inneren Eltern? Von den inneren Kindern haben sie vielleicht schon einmal gehört. Kim Fohlenstein erweitert hier dieses Konzept des inneren Kindes um das der inneren Eltern. Ein Praxisbuch für die beraterische, therapeutische bzw. systemische Praxis.Das Buch ist im broschierten Softcover herausgegeben und ist in einer praktischen als auch fachlichen Sprache geschrieben. Es besteht aus theoretischen und praktischen Einheiten und wird komplettiert durch eine wundervolle Legeanleitungen für innere Aufstellungen.Das Cover zeigt zwei Generationen in drei Köpfen. Die drei Köpfe erscheinen mir in der Reihenfolge Kind, Mutter und Vater zu sein. Das Bild passt super zum Titel und zum Inhalt. Wo gehen die Blicke wohl hin? Mir gefallen die Farben sehr, die sich super ergänzen.Ein Buch der inneren Psychologie für den Laien oder doch den Profi? Ich wackle da mit mir, wer denn angesprochen wird bzw. besser wer eher angesprochen werden sollte? Ich mag Fohlensteins lösungsorientierte Klarheit, jedoch bin ich teils kritisch mit dem, was der Laie hier selbst aufbrechen kann, ohne in Begleitung zu sein.Die Autorin öffnet eine spannende und faszinierende Welt für den Leser, die ihn einlädt in sich selbst zu gehen und zu befragen sowie nach Antworten zu suchen. Sie taucht in die Welt der Embryos und Mythen ein. Weit voneinander entfernte Welten, deren Bedeutung sie sichtbar werden lässt. Psychologie, Ahnenmedizin und Mythologie sind ihre Grundlagen, um der unerklärlichen Welt des Konflikts eine Handlungsfähigkeit entgegenzusetzen.Die Kapitel sind kurz und ausführlich erklärt und beinhalten gute Praxisbeispiele. Ab und an sind mir die Erläuterungen zu stark interpretiert, jedoch geben sie eine gute Richtung vor, wenn man Distanz zum Objekt wahrt.Niemand bleibt unberührt, sobald es um seine leiblichen und/oder sozialen Eltern handelt. Es geht auch um die Liebe zwischen Eltern und Kindern. Unsere Eltern sind unsere "Aufgabe". Ein riesiges Gewebe aus Ursache und Wirkung wird aufgemacht. Unsere Eltern sind ein Baustein unserer biologischen Verbundenheit. Egal ob wir sie lieben und vermissen oder ob das Gegenteil der Fall ist. Kim Fohlenstein zeigt, wie wir die Verletzungen und die Ohnmacht des inneren Kindes in eine Chance für die erwachsene Frau oder den erwachsenen Mann umwandeln können, in dem sie ihr/ ihm innere Eltern zur Seite stellt. Sie führt gut in das Buch ein und spricht den Leser immer wieder direkt an. Es geht um ein Spiel aus Nähe und Distanz zu sich selbst - das Spiel des Lebens. Ich mag ihre Metapher sehr und wie sie Theorie und Praxis miteinander verknüpft.Spannend finde ich ihre mystischen und märchenhaften Verweise. "Aber der erste Schritt beginnt eben wie im Märchen, als das Kind gerade Vater und Mutter verloren hat ... Es ist das Märchen deines Lebens." Große Worte für ein starkes Thema.Es beginnt mit der Konfliktbegleitung zu den inneren Eltern und der Erläuterung, wo unsere Gefühle u.a. herkommen. "Gefühle laufen nicht allein durch die Welt, sie sind immer an einen Körper gebunden, der sich so oder anders anfühlt." Gefühle spielen in jedem Konflikt eine zentrale Rolle - sie berühren und lassen uns um Hilfe suchen. Daher bieten sie auch den Leitfaden für die Lösung.Die Autorin entwickelt das Konstrukt der "Führung" und "Versorgung", denen sie "männlich" und "weiblich" zuordnet und sich damit auch gleichzeitig den Elternteilen als unseren Wurzeln hinwendet - unserem Vermächtnis. Ohne Verbundenheit gäbe es keinen Konflikt und mit wem sind wir von Natur aus mehr verbunden als mit unseren Eltern."Jeder Mensch hat innere Eltern. Auch du. Suche sie auf. Sie können das Tor zu deinem Herzen öffnen."Eine spannende Hinführung und ein intensives Thema.Es wird weiter die Unterscheidung in Primär- und Sekundärgefühle aufgemacht. Ich fände hier Empfindung und Emotion besser zur Unterscheidung. "Gefühle kommen immer, um zu gehen." Die Praxisbeispiele sind aus Fohlensteins langjähriger Praxis und nicht alle helfen beim Bearbeiten weiter. Es besteht gar Trigger-Gefahr für den Laien."Das innere Kind - die starken Gefühle und Überzeugungen aus dieser Zeit, haben die Kraft, den Alltag und die Ansichten der Erwachsenen weiter zu bestimmen." Hier ist das spannendste und erweiterndste für mich die "Tafelrunde der inneren Kinder". Eine Entlehnung aus der englischen Sagenwelt für die Interpretation und das Zusammenkommen der inneren Erlebenswelt. Ein Instrument, um mit starken Gefühlen wie Wut und anderen verantwortlich, weise und klug umzugehen - zumindest in der Reflexion. Eine starke Herausforderung mit einem wunderbar reflexiven Instrument. Dazu gesellen sich die Torwächter. So macht systemisches Arbeiten Spaß.Die Entwicklung des Konzepts der inneren Mutter und des inneren Vaters ist sehr greifbar. Sie werden mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter im besten Falle zu verantwortlichen erwachsenen Innenanteilen. Der Vater, die innere Führungskraft und die Mutter die innere Versorgungskraft. Hier bedient sich die Autorin an klaren sozialen Rollenbildern, die in der Psychologie Einklang gefunden haben. Ich finde diese sehr gut und es wäre spannend mit Menschen zu arbeiten, bei denen diese Rollenbilder diffus sind. "Im Ursprung des Konflikts sowie in allen Wiederholungen existiert ein Kommunikationsverlust." Ich finde diesen Teil sehr gut erarbeitet und den Dialog mit den inneren Kindern und den inneren Eltern mit dem Selbst sehr gelungen. Die Brücke von Märchen zu den inneren Berührungspunkten ist eine spannende Überleitung. Wie im Märchen ist das Kind unschuldig in seiner Welt, weil dieses Kind Eltern hat, die es vertreten und Verantwortung tragen. Gleichzeitig wachsen die inneren Eltern an den äußeren Eltern. Spannend finde ich die hierzu angekündigten Legearbeiten des angelehnten alten Spiels - Vater-Mutter-Kind. Schöne Praxisbeispiele folgen. "Kinder nehmen die Wege der Aufmerksamkeit der Liebe besonders stark wahr und folgen ihnen so leicht wie ein Esel der Möhre."Wunderbare Praxisanleitungen für Aufstellungen sind im Praxisteil vereint und diese machen dieses Buch für mich dann doch zu einem eher professionellen Begleiter. Ohne systemische bzw. therapeutische Vorkenntnisse halte ich die Empfehlung dieser Methoden für Laien zu weit und teils gar schwierig. "Ein ritterliches Mahl" wird die Tafelrunde nur mit professioneller Hilfe. Die Tafelrunde für Paare finde ich mega und gut anzuwenden in der systemischen Praxis. Ich empfinde die analytischen und systemischen Verknüpfungen sehr hilfreich und die Methode als sehr gelungen. Mein Highlight im Buch. "Die Mischung der Gewürzgefühle" und Externalisierung dieser auf Steinen für Beziehungsarbeit ist spitze.Erlösend empfinde ich die Feststellung, dass man seinen Eltern nicht vergeben muss, um zu heilen. Vergebung besteht nicht aus Rechtfertigungen, die man krampfhaft suchen muss und ist ein mächtiges Werkzeug. Es kann hilfreich sein oder auch nicht. Die Umwandlung der intensiven schmerzlichen Gefühle in Potential im Hier und Jetzt ist da hilfreicher. Es geht um einen Selbst und eben nicht um eine Erlösung oder Freisprechung der Eltern.Kreativ und sehr symbolisch sind die Verknüpfungen aus embryologischer Sicht - die Versorgungskraft mit dem Verdauungsschlauch und die Führungskraft mit dem Nervensystem und damit das erneute Aufmachen von weiblichen und männlichen Prinzipien.Philosophisch wird es im mythischen Teil mit der Verbindung zur griechischen Mythologie und dem Asklepios-Mythos, dem Heilgott mit dem Schlangenstab. Eine schön zu lesende persönliche Interpretation der Wunde der westlichen Heilkunst bis hin zum inneren wütenden Kind Hades bis ins Totenreich. Die Hinführung ist Legendenbildung, die Quintessenz dafür umso stärker für die Praxis der Symbolarbeit.Das Herz im Einklang und der Fokus auf Vater, Mutter, Kind - oder Führungskraft (Schlange1), Versorgungskraft (Schlange 2) und Herzensentscheidung (Mitte) werden so zu einem Ausdruck der Seele in der irdischen Schwerkraft. Es geht am Ende um innere Verbundenheit und Einheit in Leichtigkeit durch das Arbeiten mit der Dreierkonstellation innerer Vater, innere Mutter und inneres Kind.Unterstützende Videos dazu finden sich auf der Webseite der Autorin unter www.heilundkunst.de.Ein Buch zur Pflege des inneren Hauses - mit professioneller Unterstützung. Für unerfahrene und nicht fachlich gebildete Laien eher nicht geeignet. Weil unsere äußere Welt genauso komplex geworden ist wie unsere innere Gefühlswelt, ist es dieses Buch wert in die Praxis systemischer, beraterischer und therapeutischer Arbeit aufgenommen zu werden. Ein wunderbarer und bejahender sowie systemisch und analytischer Aufstellungsansatz der inneren Eltern und Kinder! Dieser Ansatz zur Erlösung der inneren Verstrickungen trägt immer auch zur Erleichterung der großen Aufgaben dieser Welt bei.Das Buch sollte klar und durchweg für den Profi geschrieben sein.Daher 4 Ritter in dieser Tafelrunde. En garde!Wie innen so außen - wie oben so unten. Chapeau!