
Besprechung vom 07.07.2025
Mit Smiley am Kamin
Krimis in Kürze: Leye Adenle, Nick Harkaway, Ellery Lloyd
Blurbs von Lee Child und James Ellroy bekommt nicht jeder, und sie liefern zumindest eine grobe Orientierung, wo die Reise hingeht. Leye Adenle, der nigerianische Autor, der in London lebt, hat die Empfehlungen jedenfalls verdient. Er schreibt eine harte, klare, aber nie forciert wirkende Prosa und arbeitet gekonnt mit Perspektivwechseln. Seine Protagonistin Amaka ist Anwältin in Lagos, als Botschaftertochter gehört sie zur privilegierten Schicht, zugleich engagiert sich für Sexarbeiterinnen und sammelt Daten über deren Freier.
"Spur des Geldes" (Interkontinental, 367 S., br., 24,50 Euro) ist der zweite Teil einer Trilogie, die mit "Zügel der Macht" (F.A.Z. vom 2. September 2024) vielversprechend begonnen hat. Amaka legt sich wieder mit den Mächtigen an: Politpaten, Kandidaten mit schmutzigen Geheimnissen, Zuhältern und Erpressern. Es geht um Prostitution, Wahlfälschung im großen Stil und Lynchmord auf offener Straße.
Amaka bewegt sich durch eine Welt der krassen Gegensätze - auch wenn ein moralisches Gefälle zwischen den Superreichen und den Straßengangs in der Megacity Lagos nicht zu erkennen ist. Sie geht dorthin, wo es weh tut. Und sie weiß: Im Dienste des Guten muss man die Hebelkräfte des Bösen benutzen. Sie ist eine unerschrockene, manchmal fast schon unwirkliche Heldin, sie spielt mit den Erwartungen und den Erwartungserwartungen ihrer Widersacher wie eine gute Luhmann-Schülerin. "Das hier ist eine richtige Gangster-Schach-Scheiße", sagt ein Freund, der mit Amakas Antizipationstempo nicht mithalten kann.
Unerschrocken könnte man auch Nick Harkaway nennen, den jüngsten Sohn des 2020 verstorbenen John Le Carré. Er lässt in "Smiley" (Ullstein, 352 S., geb., 24,99 Euro) eben diese literarische Legende aus den väterlichen Büchern wiederauferstehen: George Smiley, der Spion, der aus dem Jenseits kam. Er nimmt uns mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1963. Ein Literaturagent in London ist verschwunden, sein potentieller Killer läuft über. Smiley, der das Leben als Privatier genießt, kehrt widerwillig zurück in den Circus, wie der MI6 intern genannt wird. Alles ist hier Vintage-Le-Carré.
Harkaway beherrscht den kühlen Ton und die vielen Register seines Vaters, er leistet Millimeterarbeit, weil er die Ontologie der Smiley-Welt nicht einfach außer Kraft setzen kann und doch auch etwas Eigenes hinzufügen will. Wer ein wenig Nostalgie verspürt nach den bipolaren Zeiten des Kalten Kriegs, nach dem Eisernen Vorhang und dem geteilten Berlin, wird sich in diesem Roman zu Hause fühlen - und vielleicht auch mal von dem Gedanken belästigt werden, dass diese Nachkriegsära und die für sie maßgefertigte Prosa heute so fern wirken wie ein anderes Zeitalter. Das wärmende Gefühl, das sich beim Lesen einstellt, mag so trügerisch sein wie das elektrische Kaminfeuer im Hauptquartier des Circus.
Der Kriminalroman kann von der Kunst einfach nicht die Finger lassen: gestohlene, gefälschte, verschollene Bilder, real existierende Werke in erfundenen Geschichten, fiktive Gemälde in historischen Kontexten - an Varianten herrscht kein Mangel. Bei Ellery Lloyd (das Pseudonym des Ehepaars Collette Lyons und Paul Vlitos) gibt es neben der Faszination auch eine kleine Mission. "Das geheime Bildnis" (Knaur, 432 S., br., 16,99 Euro) handelt von der (fiktiven) surrealistischen Künstlerin Juliette Willoughby, die wie so viele Malerinnen von Männern aus der Kunstgeschichte geschrieben wurde. Geblieben ist nur ihr "Selbstporträt als Sphinx" - bis ein zweites, nahezu identisches Bild auftaucht.
Lloyd operiert, ähnlich wie Andreas Storm in seiner "Victoria Verschwörung" (F.A.Z. vom 2. Juni), auf drei Zeitebenen: Paris im Jahr 1938, Cambridge in den frühen Neunzigerjahren, das Dubai der Gegenwart; eine mythische Vergangenheit, die Elitecollege- und Landsitzwelt, der Spielplatz der Milliardäre. Familiengeheimnisse, Liebesgeschichte und historisches Kolorit ergeben eine bewährte Mischung. Ungeklärte Todesfälle fallen natürlich auch an, und als Rätsel im Rätsel fungiert die Geschichte, die sich im Bild verbirgt und die entschlüsselt sein will.
Sprachlich unauffällig, mit funktionstüchtigen Figuren bevölkert und solide konstruiert, liest sich das gut. So etwas wie ein belletristisches Pendant zur besseren Systemgastronomie. PETER KÖRTE
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