"Hulda" ist der vierte und neueste Teil der gleichnamigen Island-Thriller-Reihe von Ragnar Jonasson. Ich habe die vorherigen drei Bücher allesamt verschlungen und war dementsprechend total gespannt auf den neuen Teil. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Reihe rückwärts erzählt wird. Der neueste, vierte Band ist also zeitlich in der Handlung der früheste.Der Ausgangsfall spielt an Weihnachten 1960, als wir Atli begleiten. Dessen Kleinking verschwindet an Heiligabend spurlos aus dem Elternhaus - innerhalb von nur weniger Minuten. In den 1980er-Jahren taucht der Teddy des vermissten Jungen überraschend in einer Hütte am anderen Ende des Landes auf. Ein Fund, der den Cold Case plötzlich wieder ins Rollen bringt.Die ehrgeizige Polizistin Hulda Hermannsdóttir, Anfang dreißig und voller Hoffnung auf eine Beförderung, übernimmt die Ermittlungen. In einer männerdominierten Polizeiwelt sieht sie in diesem Fall ihre Chance, sich zu beweisen - doch nicht alles läuft nach Plan. Mit einer weiteren jungen Kollegin, die sie sich nicht ausgesucht hätte, wird sie in eine entlegene Region geschickt, wo beide bei einer Familie unterkommen, die selbst zum Kreis der Verdächtigen gehört. Außerdem plagen Hulda einige private Zweifel und ihre Ehe ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Als Mutter eines sechsjährigen Mädchens, geht ihr die damalige Kindesentführung besonders nahe.Die Angehörigen des verschwundenen Kindes sind verschlossen, resigniert - sie haben längst mit der Rückkehr des Jungen abgeschlossen. Noch bevor Hulda tiefer in die Verhöre einsteigen kann, wird ein älterer Mann tot aufgefunden. Der Fund bringt neue Dynamik in den Fall und legt dunkle Familiengeheimnisse frei.Wer Hulda aus den späteren Fällen kennt, merkt einen deutlichen Unterschied zu der noch jungen Ermittlerin, die sich sowohl beruflich als auch privat an einem Wendepunkt befindet. Ihr innerer Antrieb, ihre Zurückhaltung und der kühle, melancholische Ton des Romans verleihen der Geschichte Tiefe und Atmosphäre. Das Setting in den 60er und 80er Jahren war für mich in Hinblick auf die damaligen Gepflogenheiten und Ermittlungsmethoden besonders interessant - ebenso wie der Coldcase an sich.Der Prolog, in dem wir den Vater des Jungen kennenlernen, war für mich schon besonders packend. Einerseits die Vorfreude auf Weihnachten und die besinnliche Stimmung an Heiligabend - und dann die Erkenntnis, dass etwas schreckliches passiert ist. Trotz der privaten Einschübe aus Huldas Leben liegt der Fokus klar auf der Ermittlungsarbeit. Die Handlung bleibt kompakt, der Schreibstil schnörkellos und die Spannung konstant, was nicht zuletzt an der düsteren Kulisse und der besonderen Stimmung liegt. Mit ca. 270 Seiten bleibt das Tempo konstant hoch und es kommen keinerlei Längen auf.Der Fall wird am Ende durch Huldas Gespür für Details gelöst - das Ende ist sehr emotional und hat mich vollkommen abgeholt. Die Ereignisse waren stimmig und einige Entwicklungen habe ich so nicht kommen sehen.Insgesamt ist "Hulda" für mich somit ein gelungener vierter Teil der Reihe - der den anderen Bänden in nichts nachsteht. Aus meiner Sicht sollte die Reihe ab Band 1 gelesen werden, um das volle Lesevergnügen zu bekommen. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.