Besprechung vom 28.01.2021
Mehr wäre gut, denkt der Leser
Zu viele Ziele, zu wenige Seiten? Mehr als fünfzig "Zeitzeugen aus Stein, Stahl und Kohle" bringt der ehemalige "waz"-Redakteur Rolf Kiesendahl auf hundertfünfzig Seiten unter - vorgestellt von West nach Ost, von Duisburg nach Hamm. Die Auswahl bietet keine Überraschungen, aber ein paar Merkwürdigkeiten: Ratingen (und die Textilfabrik Cromford) dem Revier zuzuschlagen ist so abwegig, wie Hagen (und das Wirken von Karl Ernst Osthaus) auszulassen. Die Darstellung geht über Basisinformationen kaum hinaus, "Das Zechensterben begann Mitte der 1960er Jahre", heißt es im Vorwort, "1957/58 begann das große Zechensterben" auf Seite 111. Wichtige Hintergründe fehlen: Dass auf der Zeche Nachtigall in Witten fünf Jahre nach der frühen Schließung 1892 eine Ziegelei den Betrieb aufnahm, es also schon im neunzehnten Jahrhundert zu Umnutzungen kam, ist keiner Erwähnung wert. Viele Absätze lesen sich wie Paraphrasen der Tourismus- oder Wirtschaftsförderung. Auch die Gastro-Tipps ("zu fairen Preisen" scheint hier das Maß aller Dinge) klingen wenig originell, in Oberhausen etwa hätte das Gdanska am Altmarkt, Spätfolge der Migration aus Polen, einen Hinweis verdient. Und fast immer würde der Leser gerne mehr über die "interessante Geschichte" erfahren, die sich, so der Klappentext, "hinter jedem Ziel verbirgt".
aro.
"Zeitzeugen aus Stein, Stahl und Kohle. Industriedenkmäler im Ruhrgebiet" von Rolf Kiesendahl. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2020. 160 Seiten, viele Fotos. Broschiert
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