'Mama, bitte lern Deutsch'

Ich kannte Tahsim Durgun bisher nicht. In seinem Buch Mama, bitte lern Deutsch schreibt er über sein Leben in Deutschland. Seine Eltern leben bereits seit rund 30 Jahren hier, er selbst und seine Geschwister sind in Deutschland geboren. Tahsim erzählt von Begebenheiten in der Schule, begonnen in der Grundschule, wo er bereits erste Erfahrungen mit Rassismus macht. Die Familie lebt in einem Wohnblock, in offensichtlich nicht der besten Gegen von Oldenburg. Bereits 5 Gehminuten weiter betritt man aber schon die andere Welt. Tahsim muss in der Familie oft übersetzen, von Rezepten, Aldi-Prospekten bis hin zu Ablehnungsbescheiden und Arztdiagnosen. Damit kommt er mit Themen in Berührung, die Kinder nicht unbedingt übernehmen sollten. Die Beispiele aus dem Alltag bohren zum Teil den Finger tief in die Wunde und zeigen Reaktionen, wie ich sie zum Teil nicht für möglich gehalten habe. Dabei geht Tahsim zum Teil auch mit der eigenen Kultur kritisch um (siehe Hochzeiten). Ich habe mich beim Lesen teilweise wie ein stilles Mäuschen in Tahsims Familie gefühlt, so direkt hat er geschrieben. Respekt den Älteren gegenüber, der Zusammenhalt in der Familie dies sind durchaus Dinge, wo sich unsere Kulturen heftig unterscheiden, und wo wir gern etwas abgucken dürften. Die Sprache ist oftmals sehr direkt, auch in der Familie. Dennoch strahlt alles Liebe aus und Respekt. Mit den (Kraft)Ausdrücken habe ich mich beim Lesen schwergetan. Besonders gefallen hat mir eine Szene am Ende des Buches, in der Tahsim mit seiner Mama in ein Gespräch verwickelt seinen Geburtstag vorbereitet. Das Buch erscheint völlig authentisch, ehrlich. Treffende Zitate, passende Wortwahl, Humor und Ironie eine tolle Mischung und damit sehr gut und unterhaltsam zu lesen. Für mich ist es ein Impuls, öfter versuchen zu verstehen. Menschen und Kulturen sind unterschiedlich alle. Bereichert es nicht eher, wenn man einerseits die Unterschiede einfach akzeptiert und andererseits eher voneinander lernt, statt die Welt in ein Wir und Ihr einzuteilen?

Tahsims autobiografischer Debütroman erzählt uns welche rassistischen Erfahrungen er, seine Familie und besonders seine Mutter machen mussten. Tahsim wird in Deutschland geboren und wächst in einem Plattenbau in Oldenburg auf. Er hat eine sehr liebevolle und innige Beziehung zu seiner Mutter und dient oft als Übersetzter für sie, ob bei Besuchen auf der Ausländerbehörde, bei Schulveranstaltungen oder bei Arztbesuchen. Tahsim nimmt uns mit in die Schule, zu seiner ersten Party und besonders in seine Gedanken und Gespräche zwischen ihm und seiner Mutter. Für Tahsims Mutter steht eines im Vordergrund: dass ihre Kinder glücklich sind. Ihre eigenen Bedürfnisse stellt sie ganz hinten an. Den tiefen Respekt und die Liebe die er für seine Mutter empfindet wird wunderbar transportiert, auch wie poetisch, herzlich und liebevoll seine Mama ist. Ich bin zutiefst beeindruckt von Tahsim und seiner Motivation niemals aufzugeben und immer für seine Mutter da zu sein. Er besucht das Gymnasium und studiert und beweist jedem da draußen das deine Herkunft niemals aussagt was du schaffen kannst, ganz egal wie groß die Steine sind die dir in den Weg gelegt werden. Sein Buch gibt einen Einblick in die Lebensrealität von Migrantenfamilien in Deutschland, es ist ein Appell an die Gesellschaft. Mit scharfem Humor und Respekt vermittelt er seine Aussagen. Für mich ist es eine Liebeserklärung an seine Mama und eine berechtigte Kritik an unserem System. Mit der Sprache habe ich mich schwergetan, es war mir teilweise zu umgangssprachlich. Manche Anekdoten habe ich als fehl am Platz empfunden. Ich hätte mir etwas mehr Tiefe gewünscht, auch wenn mir bewusst ist das genau das wahrscheinlich ein stilistisches Mittel ist um die Nähe zu der Zielgruppe herzustellen. Im Großen und Ganzen ist es ein gutes Buch zum Einstieg, besonders für die jüngere Generation die sich vor dem Thema Rassismus in Deutschland nicht verschließt. Instagram: leeexieh