Es mag sein, dass ich mir mit dieser Rezension keine neuen Freunde mache. Sei es drum. Manche Menschen verwechseln den Zen-Buddhismus, wie er sich zum Beispiel bei Thich Nhat Hanh äußert, mit esoterischem Gehabe und Gedankengut. Ein Zen-Meister aus alten Zeiten würde bei solchen Leuten zum Stock greifen. Nun sind diese Zeiten vorbei, und wahrscheinlich würde der gute Tim Desmond diesem Zen-Meister auch gleich ein paar Takte über gewaltfreie Kommunikation erzählen.Tatsächlich gibt es genügend Anlass, stark daran zu zweifeln, ob Tim Desmond wirklich verstanden hat, was Zen-Buddhismus ist. Und das, obwohl er ein Schüler von Thich Nhat Hanh ist. Desmond jammert, wie schrecklich die Gegenwart doch ist. Und wie ungeheuer schwer es sei, dabei das Mensch-Sein zu bewahren. Ein wirklicher Zen-Buddhist würde so eine Aufführung belächeln. Und in der Tat gibt es zum Lächeln wirklich viele Gründe bei Desmond.Auf Seite 103 zitiert er aus dem Tao Te King:Die Welt erobern und behandeln wollen,ich habe erlebt, dass das misslingt.Die Welt ist ein geistiges Ding,das man nicht behandeln darf.Wer sie behandelt, verdirbt sie,wer sie festhalten will, verliert sie.Nun ist Desmond ein linker Weltverbesserer und Mitbegründer von Occupy Wallstreet. Damit versucht er genau das, wovor im Tao gewarnt wird. Und er merkt es noch nicht einmal. Wie so vieles andere übrigens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Thich Nhat Hanh bei einem seiner Bücher einen dermaßen negativen Untertitel gewählt hätte. Wertungen sind Anhaftungen. Sie verhindern den klaren Blick für die Realität.Im Jahrhunderte alten Tao Te King steht klar und deutlich: Wer sich anmaßt, die Welt verändern zu wollen, wird sie verderben. Beispiele dafür gibt es leider seit dieser Niederschrift in ausreichender Zahl. Solche Anmaßungen sind Buddhisten fremd. Sie kümmern sich um ihr eigenes Verhalten. Und damit haben sie wahrlich genug zu tun.Desmonds Buch wird sicher vielen esoterisch gesteuerten Lesern, die alle bessere Menschen sein wollen, gefallen. Sie werden nicht verstehen, dass sich bereits in diesem Streben die Wurzel für ihr Scheitern findet. Besser sein zu wollen, ist nichts weiter als eine Selbstüberhöhung. Nun muss man nicht lange nach Gründen dafür suchen. Es gibt eigentlich immer nur einen Grund - das Leid. Und damit sind wir wieder bei Buddha und diesem Buch.Leid entsteht durch Anhaften. Merkwürdigerweise versteht das Desmond sehr gut, denn seine praktischen Tipps und Übungen, die übrigens alle ausgezeichnet sind, reflektieren dieses buddhistische Verständnis. Es ist auch zu ihm selbst durchgedrungen. Wenn er wütend ist, macht er genau das, was ein Zen-Buddhist machen sollte: Er tritt neben sich, beobachtet sich wie ein Zuschauer und fragt, was er eigentlich hat. Mit einiger Übung beruhigt man sich dabei nicht nur, sondern findet tatsächlich heraus, was los ist. Woran man selbst leidet, was einen wütend gemacht hat. Und dieses Prinzip funktioniert auch in der Kommunikation mit anderen MenschenHat man diese Methode erst einmal verinnerlicht, hilft einem das in jeder Situation. Durch das wertfreie Beobachten löst sich alles auf. Nun gehört es offenbar zu den vielen Rätseln dieser Welt, dass jemand etwas verstanden und gleichzeitig nicht verstanden hat. Desmond erklärt, wenn auch manchmal umständlich, die zen-buddhistische Herangehensweise an die Welt. Gleichzeitig aber wertet er ständig und jammert, wie schrecklich die Welt doch ist. Und dass man sie unbedingt verändern muss, obwohl ihn das Tao Te King eindringlich davor warnt. Auch in Rezensionen zu diesem Buch liest man gelegentlich von "egoistischen Zeiten". Die Zeiten waren noch nie anders. Das kann man sich vielleicht nicht vorstellen, aber die alten Schriften, wie eben zum Beispiel das Tao Te King, legen genau davon Zeugnis ab.Der Zen-Buddhismus ist keine Weltverbesserungsanleitung, sondern eine zum Glücklichsein in jeder Lage. Irgendwie hat das auch Desmond verstanden. Aber eben auch wieder nicht.Um es auf den Punkt zu bringen: Desmonds praktische Anleitungen sind ausgezeichnet, weil sie den Zen-Buddhismus praktisch umsetzen. Seine grundlegende Herangehensweise an die Welt zeugt jedoch davon, dass er den Zen-Buddhismus nicht verstanden hat.