Leider komme ich nicht auf die Ausgabe, die ich bewerten will: Iban: 3730605488/ Anaconda Verlag
Kennst du das auch:Du denkst, du kennst eine Geschichte, weil sie einfach irgendwie schon immer da war, und dann stellst du fest, dass du sie nicht gelesen, sondern nur geschaut hast?So ging es mir tatsächlich mit R. L. Stevensons Buch "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" und ich bin begeistert von dem, was 1886 möglich war. Eine Gothic-Horror-Novelle. Die Dramatik in dieser Geschichte, der Aufbau und allgemein, das gesamte Setting haben mich richtig in den Bann gezogen. Es ist beeindruckend, mit wie viel Vielfältigkeit hier gearbeitet wurde. Die Andeutungen, der Umstehenden, die zwiespältige Aneignung des Menschen und die groteske Darstellung des menschlichen Geistes haben dieses Buch zu einem Meisterwerk gemacht, und ich kann durchaus nachvollziehen, warum und wieso. Robert Louis Stevenson hat eine Kreatur erschaffen, die vermutlich zu damaligen Zeiten für Empörung gesorgt hat. Stevenson spielt regelrecht mit dem Verstand der Lesenden und hüllt sie bewusst in ein Geheimnis ein, was so gewaltig droppt, dass es mir wirklich selbst die Sprache verschlug - obgleich ich irgendwann einmal den einen oder anderen Film gesehen habe. Doch all diese menschlichen Abgründe zu lesen, zu erforschen und in den Geist des Doktors einzutauchen, ist etwas vollkommen anderes. Es ist genial, dass es sich hier um eine zweisprachige Ausgabe handelt. Diese Geschichte hat wirklich meine Vorstellungen gesprengt, was man damals schon für möglich gehalten hatte und welche Wege der Autor selbst gegangen sein muss. Ebenfalls spannend und interessant ist der allgemeine Aufbau der Geschichte. Wir sind nur Gast in einer Erzählung über Hyde oder Jekyll. Wir sind mitten in den Gerüchten, um eben jene Personen. Erleben es als jemanden, der deren Anwalt ist, und haben doch den Eindruck, die beiden persönlich zu kennen.Und auch hier: Das, was der Autor andeuten wollte und geschafft hat, umzusetzen, ist einzigartig. Er spielt mit dem, was man glaubt zu wissen. Geht Gerüchten nach, forscht, was war, und beobachtet den Doktor. Bekommt ein Bild von Hyde und doch ist all das nur die Macht dessen, was man von außen wahrnimmt. Nicht, was tatsächlich los ist. Die äußere Wahrnehmung ist das, was dieser Geschichte Leben eingehaucht hat. Die Umstehenden wissen nicht die ganze Wahrheit, nor die eigentlichen Beweggründe. Und ich bin der absoluten Überzeugung, dass hier die eigentlichen Abgründe und Tiefen des menschlichen Wesens dargestellt werden. Nicht unbedingt nur in Hyde oder Jekyll, sondern in dem, was wir glauben, zu wissen und zu kennen. Gerüchte haben Macht. Und das demonstriert er hervorragend.